Make Your Own Murder Party

Trans Fiction Systems 1986
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
System: C64
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Rezension von Mr Creosote (12.04.2014)

Wer hat sich denn nicht schonmal gefragt, was die Menschen so mit ihrer Zeit angefangen haben, bevor es Computer und Spielkonsolen gab? Das muss ja ein echt langweiliges Leben gewesen sein, oder? Männer saßen im Sessel, lasen Zeitung zu zogen an ihrer Pfeife. Frauen waren die ganze Zeit am Stricken und Bügeln. Es sei denn, ja, es sei denn, man hatte „Freunde“ oder „Bekannte“. Jene Begriffe waren damals allerdings noch etwas anders belegt als heute, also bedürfen sie wohl einer kurzen Erklärung. Sie bezeichneten in dieser dunklen Vergangenheit nämlich echte Menschen, die man echt kannte… persönlich! Es handelte sich nicht nur um lächelnde Gesichter auf dem Facebook-Profil, deren Besitzer irgendwann in grauer Vorzeit mal irgendwann „gefällt mir“ bei irgendetwas geklickt hatten. Das waren schon unvorstellbare Zeiten…

Tja, und manchmal kamen diese Freundeskreise sogar (physisch!) zusammen und feierten gemeinsam. Nein, nicht etaa zu seiner „Netzwerkparty“, zu der jeder seinen Computer mitbringt, um sich dann gegenseitig abzuschießen! Die Leute unterhielten sich einfach, aßen gemeinsam und tanzten auch manchmal (und das sogar ohne Plastiksensoren oder mit der Konsole verbundene Kameras, um dann Punkte dafür zu vergeben). Doch es kam auch sogar vor, dass Spiele gespielt wurden. Völlig ohne elektronische Unterstützung.

Ein ganz besonderes solcher Spiele ist die Mörderparty. Dabei handelt es sich um einen mit verteilten Rollen aufgeführten Krimi: Jede Person übernimmt eine vorgefertigte Identität, einer von ihnen ist der Mörder und nun müssen die anderen herausfinden, wer es war – wobei noch nicht mal der Täter selbst sich seiner Rolle bewusst sein muss. Es ist also einfach die klassische Agatha-Christie-Ausgangssituation. Oder man kann es sich auch als Cluedo ohne Spielbrett und mit weniger strengen Regeln vorstellen.

Make Your Own Murder Party übersetzt diese Spielidee nicht auf den Computer. Es ist kein Spiel, sondern eine unterstützende Anwendung für diejenigen, die eine solche Party ausrichten möchten. Enthalten sind zwei Mordfälle, inklusive vorgefertigter Einladungstexte, Charakterprofile usw. (natürlich alles auf Englisch). Anpassen kann man sie mit den echten Namen der zu ladenden Gäste, dem tatsächlichen Datum, der richtigen Adresse und so weiter. Ein wenig sind die Fälle sogar skalierbar, was Anzahl und Geschlechter der Teilnehmer angeht. Am Ende druckt das Programm dann alle notwendigen Materialien, die man an die Gäste verteilen muss, aus. Was, so warnt die Anleitung, bis zu drei Stunden dauern könnte (Drucker waren damals auch noch etwas anders als heute…).

Wenn man ehrlich ist, könnte man all das natürlich auch völlig ohne Computer machen: Statt die Texte auf einer Diskette zu speichern, könnte man auch ein paar Vordrucke liefern, in deren Lücken man dann Namen per Hand füllt. OK, Murder Party sorgt vielleicht für ein einheitlicheres Schriftbild, da man so das unschöne handschriftliche Zwischenschreiben vermeidet. Doch wenn man es wirklich mal ganz kühl-analytisch herunterbricht, dann ist die einzige eigentliche Leistung des Computerprogramms das Einbringen gewisser Zufallselemente in die Fälle. Jeder der Teilnahmer kann zufällig als Täter ausgewählt werden, und da das der Computer erledigt, muss noch nicht einmal der Gastgeber im Vorhinein bescheidwissen.

Ganz nett, aber trotzdem sind die Beschränkungen allzu augenfällig. Bearbeiten und anpassen kann man wirklich nur einen sehr eingeschränkten Satz an Daten der beiden Fälle. Eigene kann man von Grund auf überhaupt nicht definieren. Stattdessen bewirbt die Registrierkarte schonmal „bald“ verfügbare Erweiterungsboxen mit Nachschub. Die natürlich niemals herausgekommen sind, denn, na ja, für gerade mal zwei nicht mal sonderlich originelle Kriminalfälle Geld auszugeben, ist vielleicht dann doch nicht ausreichend lohnend. Die Programmstruktur ist simpel und der Inhalt dünn. Stattdessen könnte man sich auch einfach an seine Schreibmaschine (oder, wenn es sein muss, seinen Computer) setzen und sich selbst Einladungen und Charakterprofile ausdenken. Klar, das mag etwas mehr Arbeit sein, aber andererseits wäre es dann immerhin komplett selbstgemacht.

Und das könnte dann doch sogar noch mehr Spaß machen, wenn es zum Einsatz kommt, oder? Make Your Own Murder Party – das steht ja sogar schon auf der Verpackung! Dieses Programm ist ein historisches Kuriosum und somit interessant, aber der praktische Nutzen hält sich dann doch in engen Grenzen.

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