Die 18. jährliche Interactive Fiction Competition

von Mr Creosote (02.10.2012)

Hier ein Überblick über die Spiele, die ich im Rahmen der Interactive Fiction Competition 2012 gespielt habe. Wer mehr über den Wettbewerb im Allgemeinen erfahren möchte, dem sei der letztjährige Artikel ans Herz gelegt. Ich habe nicht alle 28 Spiele spielen können. Die meisten Spieler stellen sich einfache Entscheidungsregeln auf, was sie zu spielen bereit sind. Meine waren dieses Jahr simpel gehalten:

- Das Spiel muss mit Open-Source-Mitteln spielbar sein.

- Das Spiel darf nicht ausschließlich in einem Webbrowser laufen oder sonstwie auf eine Internetverbindung angewiesen sein.

Ohne weitere Vorrede also direkt zu der zufällig sortierten Liste der Spiele.

Die Spiele

Sunday Afternoon

Durchgespielt & rezensiert

The Test is Now READY

Durchgespielt & rezensiert

Murphy's Law

Gespielt, leider stürzte es ab, nachdem ich die Bank verließ (den bis dahin erreichten Punkten nach zu urteilen war das wohl kurz vor dem Ende des Spiels). Im Spiel geht es um einen Protagonisten, der eine letzte Zahlung zur Begleichung seines Hauskredits vornehmen will. Alle möglichen Dinge gehen schief, was man ja schon am Titel erahnen konnte. Man schneidet sich am Papier (anscheinend eine tödliche Gefahr), der Briefkasten wird von einem Auto zerstört, eine Kakerlake versperrt den Weg in die Garage, das Auto will nicht anspringen, die Bank wird gerade überfallen. In ihrer Schärfe fallen einige dieser Situationen schon eher in die Welt der Absurdität, aber ihre Lösungen nicht. Was einerseits (positiv) bedeutet, dass die Lösungen logisch sind, aber andererseits sind sie eben auch nicht sonderlich anregend. Bei der Umsetzung konzentriert sich das Spiel vollständig auf den gedachten Lösungsweg. Alles, was man sich sonst so vorstellen könnte, kann man sich abschminken, da nichts vom Spiel akzeptiert wird.

Dieses Spiel ist dermaßen simpel, dass es leider nicht genug Stoff für eine vollständige Rezension bietet.

Kicker

Prinzipiell der gleiche Kommentar wie zum letztjährigen Baseballspiel: Ich weiß über diesen Sport nichts. Der README-Text erklärt, es gebe keine Aufgabe, die man explizit gewinnen oder verlieren könne. In Ordnung, letztes Jahr hat It ja vorgemacht, wie man sowas trotzdem unterhaltsam gestaltet. Doch wenn man ein solches Spiel macht, dann sollte es eben auch wirklich so umfassend ausgestaltet sein, wie It. Ich treffe in diesem Spiel auf ein paar lustige Sprüche, aber der Sinn erschließt sich mir nicht. Oder sogar nur der der erste Schritt, der mich auf den Weg bringen könnte. Ich gebe auf.

The Island

Durchgespielt & rezensiert

Fish Bowl

Durchgespielt & rezensiert

J'dal

Durchgespielt & rezensiert

Transit

Browserspiel

Eurydice

Gespielt, aber nicht bis zum Ende durchgehalten. Es handelt sich um eines dieser Trübsalspiele: Eine enge Freundin des Protagonisten ist frisch verstorben (anscheinend Selbstmord) und nun ist die Welt schlecht und überhaupt. Diese Art von Spiel liebt ein nicht zu verachtender Anteil der IF-Comp-Zielgruppe, weil es sich vieler großer Worte und einer besonders blumigen Sprache bedient, um „literarisch“ zu wirken. Mich persönlich hat es einfach nur zu Tode gelangweilt. Technisch gesehen scheint mir nichts falsch an dem Spiel, aber ich empfand es übertrieben und prätentiös.

Body Bargain

Durchgespielt & rezensiert

The Lift

Browserspiel

Signos

Reines MS-Windows-System

Last Minute

Browserspiel

Guilded Youth

Browserspiel

Andromeda Apocalypse

Durchgespielt & rezensiert

Shuffling Around

Jedes Jahr gibt es im Wettbewerb mindestens ein „Wortspiel“-Spiel. Dieses Genre gehört ohnehin nicht unbedingt meinen Favoriten. Dieses spezielle Spiel versucht noch nicht mal, irgendeine Handlung drumherumzustricken – es ist einfach eine bescheuerte Szene nach der anderen und ein schwachsinniger Text nach dem anderen. Weder das, noch die Spielmechanik (die sich das Spiel nicht einmal herablässt zu erklären) waren für mich auch nur ansatzweise von Interesse, also habe ich nicht lange durchgehalten. Da ich kaum etwas von dem Spiel gesehen habe, werde ich es nicht bewerten.

Lunar Base 1

Nicht schlecht, spielt sich sehr solide (abgesehen von zwei Objekten, die sich auf Teufel komm raus einfach in keiner Beschreibung auffinden lassen, sondern nur in einer Unterhaltung beiläufig erwähnt werden, nachher aber wichtig sind, um das „beste“ Ende zu erreichen) und es gibt ein paar ansprechende Pulp-Elemente. Insgesamt gibt das Spiel seinem eigenen Plot jedoch nicht genug Raum zur Entwicklung. Man kommt auf dem Mond an und sofort wird der andere Astronaut von einer bösen außerirdischen Macht übernommen… und die Verschwörungs-Enden bleiben ebenfalls eher oberflächlich. Insgesamt kann man das durchaus empfehlen, man darf nur nichts Weltbewegendes erwarten.

Spiral

Durchgespielt & rezensiert

Living Will

Browserspiel

The Sealed Room

Dies ist nur ein Programmierexperiment, mit dem der Autor anscheinend die Programmiersprache lernen wollte. Besonders blöd daran: Es ist noch nicht mal interaktiv, denn das Spiel sagt einem immer, was man tun soll. Falls es irgendjemandem interessant erscheint, mit einem Einhorn und einem Drachen eine vorgegebene Liste von Themen zu besprechen, ohne dass Jemals auch nur etwas Interessantes dabei herauskommt, ist dies zweifellos das richtige Spiel.

Changes

Nicht durchgespielt; ich befinde mich in der Rolle eines Kaninchens und in dem Wald treibt sich auch ein Fuchs herum. Ich kann ihm zwar reproduzierbar entkommen, aber sein zufälliges Auftauchen unterbricht natürlich jedes Mal meine geplanten Aktivitäten. Ein (angenommenes) Rätsel besteht beispielsweise darin, ein anderes Tier durch den halben Wald zu führen. Das habe ich geschlagene sechsmal versucht, aber jedesmal kam der Fuchs dazwischen und ich musste wieder neu ansetzen. Das nervt! Die dünne Implementierung (beispielsweise wird KILL FISH zurückgewiesen, GET FISH wird dagegen damit beantwortet, ich habe den Fisch getötet) hilft der Motivation auch nicht mehr. Ein in seinen Fähigkeiten eingeschränkter Protagonist ist immer eine schöne Abwechslung und bei meiner initialien Erkundung der Spielwelt meine ich die Versatzstücke einiger interessanter Rätsel gesehen zu haben, aber aktuell halte ich das Spiel trotzdem nicht für spielbar. Eine überarbeitete Version würde ich jedoch wirklich gerne spielen!

Castle Adventure

Durchgespielt & rezensiert

Irvine Quik & the Search for the Fish of Traglea

Durchgespielt & rezensiert

A Killer Headache

Hier versucht sich jemand an einer „wissenschaftlicher“ Analyse des Zombiemythos (Pseudo-Zombies, solche die Gehirne essen), aber an Richard Mathesons I Am Legend kommt es nicht mal ansatzweise heran. Religionspropaganda und nervige Spielmechanik frustrieren. Schade, denn ein paar Rätsel waren echt nicht schlecht.

howling dogs

Browserspiel

Escape From Summerland

Durchgespielt & rezensiert

Valkyrie

Browserspiel

In a Manor of Speaking

Dies ist ein weiteres Spiel, das sich um Wortspiele dreht. Es erinnert in gewisser Weise an das letztjährige PataNoir, insofern dass es häufig darum geht, Dinge wörtlich zu nehmen. Wenn einen also beispielsweise ein Tourist dazu auffordert, „take my picture“ („ein Foto machen“, denkt man), dann will er einem tatsäch ein Bild geben (man merkt schon, das ist, wie der Rest des Spiels, unübersetzbar). Was fehlt ist die pompös-überernste Weise PataNoirs, sich selbst wichtig zu nehmen. Manor könnte man eher dem Dadaismus zuordnen. Die Rätsel folgen der gleichen Logik; beispielsweise muss man ein Inventarobjekt namens „a piece of your mind“ offensichtlich jemandem geben („give someone a piece of one's mind“ – jemandem die Meinung sagen). Wieder im Vergleich zu PataNoir sind die Rätsel jedoch abwechslungsreicher und damit interessanter. Bitte lasst euch nicht davon täuschen, dass dieses Spiel nicht ausführlicher besprochen wird: Ich empfehle es uneingeschränkt!

Empfehlungen

Zwei Spiele kann ich vorbehaltlos empfehlen: Escape from Summerland und In a Manor of Speaking. Beide sind sehr unterhaltsam und wirken absolut authentisch (siehe unten). Beide Spiele folgen einer ihnen innewohnenden Logik und haben interessante Rätsel. Keines der beiden nimmt sich selbst allzu ernst.

Body Bargain und Spiral kann ich noch vorsichtig empfehlen. Ersteres leidet unter dem entscheidenden Problem, dass gegen Ende einige Aktionen notwendig werden, die unmöglich zu erraten sind. Letzteres hat ebenfalls ernsthafte Probleme mit seinem Ende und die Symbolik ist stellenweise übertrieben. Wer es ganz im klassischen Stil haben möchte, dem sei Irvine Quik ans Herz gelegt, oder, wenn man wirklich in Scott-Adams-Zeiten zurückkehren will, Castle Adventure.

Von den Gewinnern (die ich einfach mal willkürlich als die ersten fünf definiere) ist Changes positiv hervorzuheben. Zwar habe ich dieses Spiel nicht durchgespielt, aber es zeigte bereits deutlich sein Potential und das Design war bezüglich fast aller unten aufgeführter Kriterien einwandfrei. Dass ich es an einem schlechten Tag erwischt habe und es mich schnell frustriert hat, ist schade; im Vergleich zu den anderen vier, die sich ehrlich gesagt zwischen mittelmäßig und stinklangweilig bewegen, ist Changes ganz klar dasjenige Spiel, das eine zweite Chance verdient.

Allgemeine Beobachtungen

Bringen wir zuerst mal die offensichtliche, aber nicht sonderlich interessante Erkenntnis hinter uns: Die Anzahl der sogenannten „webbasierten Spiele“ ist dieses Jahr signifikant angestiegen. Ob daraus ein längerfristiger Trend wird, muss sich in den folgenden Jahren herausstellen. Ich sage nur: „Smarter Parser“, über den ich mich letztes Jahr noch bitter beschwert habe – dieses Jahr kein einziges Mal mehr aufgetaucht.

Der dicke Bauch des Mittelmaßes

Betrachtet man die konzeptuell betrachtungswürdigen Spiele war dies ein solider, aber auch eher unaufregender Wettbewerb. Dieser Trend ist bereits seit einigen Jahren zu beobachten, also sollte man mal versuchen, dieses Phänomen genauer zu betrachten. Die IF-Competition war lange Zeit vor Allem für wirklich schreckliche Spiele bekannt, die einfach (technisch) nicht funktionierten oder sogar absichtlich „schlecht“ waren. Solche Spiele gibt es kaum mehr: Selbst die Spiele, die ganz unten auf der Liste landen, sind normalerweise technisch gesehen in Ordnung. Was ja erstmal eine gute Entwicklung ist. Doch sie hat auch eine Kehrseite, die bislang kaum offen erwähnt wird: Die wirklich hervorragenden Spiele werden ebenso rar.

Dies ist sicherlich nicht auf einen einzelnen Grund festzulegen. Einen möglichen Aspekt, der eher nicht zu den offensichtlichen gehört, möchte ich im Folgenden diskutieren, da dieser von jedem zu beeinflussen ist. Der Wettbewerb wird durch eine öffentliche Abstimmung entschieden. Um an der Abstimmung teilzunehmen, muss man sich auf der Wettbewerbsseite registrieren, sonst ist nichts nötig. Die Anzahl der abgegebenen Stimmen nimmt leider seit einiger Zeit stetig ab. Selbst 2008 und 2009 war es jedoch noch so, dass die Gewinnerspiele 100 Stimmen abbekamen. Dieses Jahr hat das Siegerspiel gerade noch 66 Stimmen abbekommen, letztes Jahr waren es für den Sieger 73.

Eine Kerngruppe von Spielern wird immer mit abstimmen. Dies sind die aktiven Fans, der „innere Zirkel“ der Gemeinschaft, den man größtenteils im Intfiction-Forum antrifft. Was die Spielererwartungen angeht, ist dies eine recht homogene Gruppe. Das ist durchaus natürlich, denn wenn man über eine längere Zeit miteinander diskutiert nähern sich Sichtweisen üblicherweise aneinander an. Menschen, die unvereinbar andere Ansichten besitzen, geben deshalb eher auf und werden sich überhaupt nicht mehr beteiligen, da für sie die Diskussionen sinnlos wirken.

Die Größe dieser Kerngruppe bleibt über die Jahre in etwa konstant, während die Anzahl der nur – sagen wir mal – halbwegs aktiven Abstimmenden abnimmt. So bekommt erstere Gruppe ein größeres relatives Gewicht. Gleichzeitig ist dies die Gruppe der Spieler, die wahrscheinlich mehr Spiele spielt als jeder andere. Es sind also die Leute, die genau wissen, was sie wollen, und die auch nur noch wenig Verständnis und Geduld für Anfängerfehler aufbringen. Das ist verständlich; hat man den gleichen Fehler schon zwanzig Mal gesehen, wird man mürrisch.

Technische Bugs zu finden ist einfach. Als erfahrener Spieler weiß man genau, wo man hineinstechen muss, um typische Fehler zu identifizieren. So ist das nun mal bei in der Freizeit entwickelten Spielen. Dünnheutige Spieler geben manchmal sofort auf, wenn sie auf die erste Bodenwelle stoßen und verpassen dem Spiel sofort eine schlechte Wertung. Kurzfristig gedacht ergibt das Sinn, denn man will sich damit nur weiteren Frust über eine schlechte Implementierung ersparen.

Doch es könnte sich durchaus, selbst aus rein egoistischer Perspektive, als sehr kurzsichtige Handlungsweise herausstellen. Was wird den Autoren damit vermittelt? Wer gut abschneiden will, muss vor Allem darauf achten, dass bloß keine Stolpersteine (echte oder eingebildete) im Spiel vorkommen. Ob später dann noch andere positive Dinge auftauchen, ist völlig gleichgültig, denn viele Spieler werden diese entweder überhaupt nicht mehr sehen oder sie nicht mehr weiter in Betracht ziehen, da ihre Meinung bereits abschließend gebildet ist. Stolpersteine können offensichtlich einfach Bugs sein, doch auch andere Aspekte des Spiels, wie die Erzähltechnik, die angesprochenen Themen oder sonstige Inhalte können als solche aufgefasst werden.

So werden Autoren also gezwungen, bloß keinerlei Risiko einzugehen. Am besten hält man sich an bekannte Formeln. Das allerwichtigste ist es, bloß niemandem auf die Füße zu treten! Ganz besonders nicht denjenigen Leuten, die sich ganz sicher abstimmen werden und von denen natürlich nochmal gesteigert diejenigen, die durch ihre veröffentlichten Besprechungen der Spiele doppelten Einfluss auf die Ergebnisse ausüben.

Wie erreicht man das? Der effektivste Weg scheint zu sein, sich einer möglichst simplen Spielmechanik zu bedienen. Komplexität führt nur zu Fehlern. Deshalb gibt es immer mehr Spiele im Wettbewerb, die man kaum noch als interaktiv bezeichnen kann. Solche Spiele haben selbstverständlich keine Bugs (woher auch?) und die typischen Probleme nichtlinearer Erzählungen treten ebenfalls logischerweise gar nicht erst auf. Das Fehlen negativer Aspekte ist damit anscheinend das Maß aller Dinge geworden. Und so bekommen wir die Spiele, die wir verdienen: solide gemachte, aber sehr simple und schließlich schnell wieder vergessene. Kreativität und, noch wichtiger, Mut haben wir den teilnehmenden Autoren erfolgreich ausgetrieben.

Wie setzt sich ein Spiel längerfristig fest?

Mag das Gewinnen dieses leicht inzestuösen Wettbewerbs noch so formelhaft erscheinen, so bezweifle ich stark, dass dies tatsächlich noch ein guter Weg dahin ist, sein Spiel längerfristig in den Köpfen zu etablieren. Diese Seite behandelt ja gerade eine Perspektive, die über die sechs Wochen eines Wettbewerbs hinaus geht. Diesbezüglich – davon bin ich überzeugt – versagt die einfache Formel, primär nichts falsch zu machen, jedoch. Wer sind die Leute, an die man sich nach einem langen Abend auf einer Party auch am nächsten Morgen noch erinnert? Die angenehmen, stillen und höflichen Leute oder diejenigen, die etwas an sich hatten, das sie von der gesichtslosen Masse unterschied? Genauso ist es mit Spielen; sind sie austauschbar, dann mag die Interaktion selbst noch so unterhaltsam sein, doch trotzdem erinnert man sich nach zwei Monaten nicht mehr an die Details.

Unter dieser veränderten Zielprämisse können Vorgehensweisen, die eine gute Platzierung im Wettbewerb im schlimmsten Fall sogar verhindern können, plötzlich helfen. Selbst scheinbar negative Qualitäten, wie beispielsweise ein Spielprinzip, das einigen Spielern auf die Nerven gegangen ist, können in diesem Hinblick positive Auswirkungen haben. Das liegt beispielsweise daran, dass einige scheinbar nervige Eigenheiten nur unter den speziellen Bedingungen des Wettbewerbs, in denen die Spieler sich verpflichtet fühlen, möglichst viele Spiele in möglichst kurzer Zeit durchzubekommen, wirklich so aufgefasst werden. Man denke beispielsweise an jegliche Spielelemente, die längere Fleißarbeit erfordern.

All dies ist selbstverständlich nicht als Ratschlag dafür gemeint, nun absichtlich nervige Spiele zu machen. Eine solche Intention ist meist sehr leicht von ernsthaftgemeinten Spielen unterscheidbar. Was ich jedoch allen Autoren empfehle, ist sich ernsthaft zu fragen, was ihr Spiel von anderen unterscheidet. Das muss nicht heißen, dass man ein absolut revolutionäres Werk abliefern muss. Es können auch nur eine spielerische Kleinigkeit, ein besonderer erzählerischer Moment, ein besonderes Thema oder ein spiezieller Charakter sein. Irgendetwas, das die Spieler überrascht. Es gibt langfristig nichts Schlimmeres, als seine Spieler immer in ihrem Wohlfühlbereich zu belassen! Aus diesem halbkomatösen Zustand gilt es sie zumindest kurzfristig herauszureißen, um sich langfristig in die Gedächtnisse einzugraben. Das natürlich, wie dargestellt, eventuell auf Kosten des kurzfristigen Erfolgs im Wettbewerb selbst, was wirklich schon fast pervers ist, wenn man den eigentlichenm Sinn eines solchen Wettbewerbs bedenkt.

Wertungskriterien dieser Seite

Sichtbar unterscheiden sich die hier vergebenen Wertungen von den Ergebnissen des Wettbewerbs. Niemand von uns nimmt Objektivität für sich in Anspruch. Doch was sind die unausgesprochenen subjektiven Kriterien, die hier zu guten Wertungen führen? „Hier“ an dieser Stelle nur im Bezug auf meine persönlichen Ansichten. Jeder Rezensent hat eigene Ansichten, die nicht unbedingt mit den folgenden übereinstimmen müssen.

Seid interaktiv

In der vorher erwähnten Kerngruppe mag es mittlerweile akzeptiertes Stilmittel zu sein, aber ich persönlich mag keine Spiele, die einfach eine Geschichte ohne ernsthaft interaktive Elemente erzählen. Es müssen nicht unbedingt „Rätsel“ im klassischen Sinne sein, wenn sie denn wirklich nicht passen. Wenn ich jedoch das Gefühl habe, dass mir Entscheidungen grundsätzlich vorgegeben werden, ich den Fortgang der Geschichte also nicht entscheidend beeinflussen kann, dann sinkt meine Laune. Ich muss mindestens mit der Umgebung herumspielen können, ohne dass ich dauernd mit „Anweisungen“ genervt werde, jetzt bitte sofort den nächsten vorgesehenen Schritt vorzunehmen (wenn nicht gerade die Geschichte wirklich schnelles Handeln erfordert). Um es ganz deutlich zu sagen: Beispielsweise einfach nur durch alle vorgegebenen Dialogoptionen zu gehen ist für mich nicht interaktiv! Was zählt, ist die Welt auch über die reine Lösung des Spiels hinaus interaktiv zu gestalten. Dabei geht es darum, nicht nur nach einer positiven Spezifikation zu programmieren („der Lösungsweg muss funktionieren“), sondern auch die 95% der Spielzeit, in der sich die Spieler mit anderen Dingen beschäftigen werden, auszugestalten.

Erzählt eure Geschichte mit interaktiven Mitteln

Dies hat schon viel mit dem vorigen Punkt zu tun, aber geht darüber hinaus: Eine strikt getrennte Abwechslung zwischen interaktiven (spielerischen) und nicht-interaktiven (erzählenden) Szenen wird ebenfalls keine guten Noten einbringen! Ja, Rückblenden (um ein häufig verwendetes Stilmittel zu nennen) können in Textadventures funktionieren, aber sie sollten so sparsam wie möglich eingesetzt werden. Eine Geschichte in einem Textadventure zu erzählen heißt, sich anderer Techniken als in statischen Kurzgeschichten zu bedienen. Die Kunst liegt darin, dem Spieler Informationen indirekt durch die Umgebung und eben die Interaktion mit dieser zu vermitteln.

Zeigen, nicht erzählen

Das ist ja eigentlich die Grundregel jedes erzählenden Mediums. Ein Spiel, dass mir sagt, wie ich mich fühle (oder der Protagonist sich fühlt), macht schon etwas falsch. Stattdessen sollte eben jenes Gefühl dem Spieler vermittelt werden. Dieses Problem schlägt ganz besonders bei zentral emotional motivierten Spielthemen, wie beispielsweise diesen anscheinend so beliebten Trübsalspielen, auf. Ja, ja, tut mir leid, dass deine Frau/Freundin/Eltern/Kinder/Geschwister/Katze gestorben ist, aber auch der Tod ist Teil des Lebens und Menschen ohne persönliche Bindung ist das erstmal gleichgültig! Herzlos? Nein, nur so kann unsere Welt, in der täglich zahllose Menschen sterben, überhaupt funktionieren. Schreibt man ein Spiel über einen sehr persönlichen Verlust oder Gebrechen, dann kommuniziert man dies zu einer Zielgruppe voller Fremder. Diese mögen kognitiv zwar verstehen, doch das genügt nicht, ein emotionales Verstehen auszulösen. Freedom, das 2008 am Wettbewerb teilnahm (ebenfalls auf dieser Seite besprochen), wird diesbezüglich allgemein als gescheitert angesehen, doch meines Erachtens ist es schon näher dran als die meisten solchen Spiele. Die Methoden, mit denen die Probleme des Protagonisten vorgeführt werden, sind schon die richtigen, nur versäumt es das Spiel, den zusätzlichen überspitzenden Schritt zu gehen, den unbeteiligte Spieler normalerweise brauchen. Richtig schlimm wird es, wenn ein Spiel, wie dieses Jahr beispielsweise The Test is Now Ready, dem Spieler explizit sagen „You suddenly feel happy“ – völlig sinnlos, das überhaupt zu sagen, wird sofort überlesen. Ein weiteres negatives Beispiel ist Eurydice, dem der Mut fehlt, sich auf die KRaft des Zeigens zu verlassen: Wenn der Tod dieser Freundin eine solche Leere beim Protagonisten hinterlassen hat, dann ist es wirklich unnötig, das immer und immer wieder explizit zu betonen (das nervt nur). Einfach beispielsweise das leere Zimmer, in dem sie wohnte, zu zeigen, wäre schon richtig gewesen. Ein typischer Fall, seine Spieler zu unterschätzen – wir sind nicht dumm!

Verschwendet nicht meine Zeit

Es ist schon fast peinlich, das überhaupt zu erwähnen, aber sicherheitshalber: In der Kürze liegt die Würze. Wer ernsthaft meint, es sei nötig, in sein Spiel Textblöcke von mehr als zehn Zeilen am Stück einzubauen, macht schon etwas falsch! Natürlich sollte man auch nicht zu knapp schreiben. Genau das richtige Maß zu finden ist niemals einfach, aber im Zweifelsfall sind mir etwas zu kurz gehaltene Beschreibungen lieber als das Gegenteil.

Der richtige Umfang

Hier geht es um den Umfang eines Spiels. Die Geschichte, die man zu erzählen gedenkt, die Scherze, die man unterbringen will, und die Spannung, die man aufbauen möchte, müssen so in die Spielstruktur passen, dass das richtige Tempo entsteht. Das ist in beide Richtungen wichtig: Das Spiel darf weder zu lang, noch zu kurz sein. Was bedeutet zu kurz oder zu lang? Das hängt natürlich vom Umfang der Spielideen und -themen ab. Murphy's Law ist ein sehr positives Beispiel: Die Idee und Geschichte sind simpel und so ist das Spiel passend kurz und knackig gehalten. Dieses Spiel länger auszubreiten, hätte die Schmerzgrenze überschritten; so wie es ist, bleibt ein positiver Eindruck. Irvine Quik spielt dagegen sein Potential nicht aus. Es passiert in dem gedrängten Raum einfach zu viel, so dass es schlechter wirkt, als es eigentlich ist.

Kennt eure Grenzen

Nicht nur der eigene Anspruch an den Umfang des Spiels, sondern auch beispielsweise die Erzähltechnik ist essentiell. Bewährte Erzähltechniken aus Selbstzweck zu ignorieren ist schonmal schlecht. Es mag als Widerspruch zum Abschnitt über die langfristige Spielerbindung erscheinen, aber dies sind schon zwei verschiedene Dinge. Um mal ein Beispiel aus einem anderen Medium zu bringen: Als Alfred Hitchcock seine sympatische Protagonistin in Psycho am Ende des ersten Aktes einfach ermorden ließ, war das eine ungekannte Verletzung der Regeln. Er tat dies natürlich mit voller Absicht, denn er wollte die Zuschauer schockieren, sie mit dem völlig unerwarteten aus ihren Sitzen reißen. Das funktionierte, weil er ein meisterhafter Erzähler war. Wer die Begabung eines Hitchcock hat, kann erzähltechnisch tun was immer er will; die Zuschauer nehmen es ihm trotzdem ab. Dies sind dann tatsächlich die Werke, ob nun Filme, Bücher oder Spiele, über die man sich auch Jahrzehnte später noch unterhält. Doch wenn man eher zweifelt, ob man solche Kniffe selbst hinbekommt, und selbst wenn nicht, dann muss man sich immer fragen, warum man eine besondere Technik einsetzen will. Welchem Zweck dient sie? Wenn es einen Sinn gibt und man sich dafür entscheidet, darf man sich jedoch nicht wundern, wenn von Rezensentenseite auch entsprechend hohe Ansprüche gestellt werden.

Die Erziehung der Spieler

Nein, langweilige dedizierte Tutorials sind kein gutes Stilmittel. Ein gutes Spiel kommuniziert seine Stimmung und seine Spielprinzipien unterbewusst, aber trotzdem klar und deutlich. Beginnt das Spiel beispielsweise mit starker Unterstützung für den Spieler, dann gehe ich davon aus, dass das so weitergeht. Es darf sich ändern, aber dann nur graduell, vorsichtig und langsam. Siehe J'Dal, dem dies leider übehaupt nicht gelingt.

Seid authentisch

Dies ist vielleicht der wichtigste, aber auch am schwierigsten messbare Aspekt. Leider hat sich bei mit der starke Eindruck eingestellt, dass in Textadventures heutzutage die starke Tendenz zur übertrieben hochgestochenem Schreiben besteht. Alles und Jedem muss irgendeine Bedeutung aufgezwungen werden, die entsprechend hochtrabend ausformuliert werden „muss“. Wer wirklich etwas tiefgründiges zu sagen hat, möge das tun – aufmerksame Spieler finden das auch so und freuen sich zweifellos darüber! Doch selbst dann muss man auch die Souveränität besitzen, eine Zigarre einfach mal eine Zigarre sein zu lassen. Beschäftigt man sich dagegen in einem Spiel primär mit witzigen Themen, hat man eine „pulpige“ Science-Fiction-Geschichte oder einen Fantasyplot, dann ist das doch auch nichts, wofür man sich schämen muss! Wieso immer diese Minderwertigkeitskomplexe, wenn man sich in einem nicht so „wertvollen“ Genre bewegt?

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