Fair
für Interpreter (Glulx)

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Mr Creosote:
Firma: Hanon Ondricek
Jahr: 2016
Genre: Adventure
Thema: Humor / Textbasiert
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 11494
Rezension von Mr Creosote (20.10.2016)
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Hanon Ondricek hat sich bereits als einer der besten Textadventureautoren der letzten Jahre etabliert (wir haben sein Debüt Transparent besprochen). Die Erwartungen dürften also hoch sein.

Fair folgt seinem letztjährigen Ansatz (The Baker of Shireton): Der Spieler wird in eine „offene Welt“ geworfen, die erkundet, benutzt und missbraucht werden kann, wie man gerade lustig ist. Was die Erzählung angeht, ist dies ein interessanter Spezialfall, da es dem Spieler erlaubt, die klassische Protagonistenrolle einfach gar nicht einzunehmen, sondern die Dinge sich stattdessen einfach um ihn herum entfalten zu lassen. Es passiert so Einiges und welchen Erzählstrang der Spieler verfolgt, liegt bei ihm. D.h. es handelt sich hierbei um eine indirekte Erzähltechnik verglichen mit klassischen spielerzentrischen Geschichten.

Der (potentielle) Protagonist ist ein drittklassiger Science-Fiction-Autor, der in letzter Minute als Ersatzjuror für einen Wissenschaftswettbewerb der Schule einspringen soll (der Direktor hat wohl nur „Science“ gelesen und das „Fiction“ ignoriert). Sein eigenes Interesse liegt jedoch eher darin, ein paar seiner Bücher zu verkaufen, da die Miete bereits überfällig ist.

Die Zeit drängt, da die Aula bereits für eine Folgeveranstaltung gebucht ist. Die offensichtlichen Optionen liegen also darin, schnell ein paar Bücher an den Mann oder die Frau zu bringen (was durch zufällig ausgewürfelte Begegnungen und Dialoge abgewickelt wird) oder aber sich tatsächlich in die Projekte der Kandidaten zu vertiefen, mit den Kindern (oder deren Eltern?) zu sprechen und schließlich eine wirklich informierte Entscheidung zu treffen. Doch darüber hinaus gibt es noch mehr zu entdecken. Die eigentlichen Geschichten entfalten sich durch Beobachtung und Konversationen, die viele der Charaktere als Clichés entlarven, aber an anderen auch unerwartete Seiten enthüllen.

Dem Spiel gelingt es recht gut, das geschäftige Treiben der Schulkorridore vor dem geistigen Auge lebendig zu machen. Dieser Mikrokosmos steckt voller bunter Charaktere und kleiner Seltsamkeiten, die hier und da vor sich gehen. Wie zum Beispiel der Direktor, der ausgerechnet Der Report der Magd als Rockmusical auf die Schulbühne bringen möchte. Und auch bei der Verleihung der Preise einen seltsamen Musikgeschmack beweist.

Andererseits recht überraschend ist, dass hier und da dann doch ein bisschen der letzte Schliff zu fehlen scheint. Beispielsweise sind die zufälligen Begegnungen zwecks Buchverkauf zwar ganz amüsant, jedoch kommt es in ihrem Verlauf öfter zu direkt aufeinanderfolgenden in sich widersprüchlichen Statusaussagen. Und die Begrüßung durch den Direktor kann ein solches Gespräch sogar komplett unterbrechen, so dass man gar nicht mehr sicher sein kann, in welcher der beiden angezeigten Multiple-Choice-Unterhaltungen man sich überhaupt noch befindet.

Davon abgesehen plagt Fair natürlich die typische Schwäche dieses Genres (beispielsweise verglichen mit It aus dem 2011er-Wettbewerb): Trotz aller Qualitäten ist und bleibt es ein kleines Spiel. Auch wenn relativ gesehen viel los ist, erschöpfen sich die Handlungsmöglichkeiten des Spielers trotzdem recht schnell. Selbst bei den vorstellbaren Interaktionen mit den vorhandenen Charakteren schränkt das Spiel einen strikt ein, indem fast alles aufs Reden zurückgeführt wird. Was einmal mehr die Frage aufwirft, ob ein solches „Open-World“-Konzept als nicht-kommerzielle Ein-Mann-Show überhaupt im mittleren-großen Umfang machbar ist…

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