Wolfenstein 3D
für PC (DOS)

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LostInSpace:Besucherwertung:
4.7/6
Firma: id Software
Jahr: 1992
Genre: Action
Thema: Kämpfen / Krieg
Sprache: English
Lizenz: Shareware
Aufrufe: 13975
Rezension von LostInSpace (01.12.2016)
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Dies ist ein Actionspiel, das als Urgroßvater aller Ego-Shooter gilt. Wir schreiben das Jahr 1992, als der als Shareware getarnte Virus wie heiße Ware in wuseligen Schulhöfen und auf lauten Szene-Partys von Laufwerk zu Laufwerk wandert. Die Ballerorgie des amerikanischen Ausnahmeprogrammierers John Carmack übt einen überwältigenden Reiz auf die, noch nicht durch massenhafte Nachahmung der Ego-Perspektive abgestumpften, Teenager aus und die käuflich zu erwerbenden Zusatzepisoden machten John Carmack über Nacht zum Millionär.

Der Levelaufbau ist denkbar einfach. Da die dritte Dimension auf den lahmen Rechnern quasi vorgetäuscht ist, bleibt man stets mit dem Füßen am Boden, ohne Sprünge über irgendwelche Hindernisse, Löcher oder gar Abgründe. John Carmack hätte also genausogut eine Autoscooter- oder Hoovercraft-Simulation programmieren können. Aber eine schöne Nazihochburg mit entsprechenden Insignien an den Wänden aus der Perspektive eines entkommenen Gefangenen polnischer Abstammung hat doch etwas viel Geheimnisvolleres und kommt in Untergrundkreisen eher zur Sprache als irgendsoein Kinderkram.

Also bewegen wir uns mit dem Kampfmesser, einer schicken Pistole oder auch einer MG durch die mit Aufzügen verbundenen, ebenerdigen Korridore eines riesigen Gefängnisses und erleben die beherzten Angriffe von deutsche Parolen schmetternden, völlig gleich aussehenden Soldaten und deutschen Schäferhunden vor der Kulisse des Hakenkreuzes und dem Portrait des „Führers“. Wem das noch nicht genug ist, kann in späteren Episoden auch noch Nazi-Mutanten abballern.

Man fühlt sich wohl in seiner Rolle, den bösen braunen Verbrechern was auf die Nase zu geben und hat schnell seine moralischen Bedenken über Bord geworfen. Das eingängige Spielprinzip tut sein Übriges dazu, neugierig auch das nächste Level überstehen zu wollen und dabei kein Anstoß an den fast identisch wirkenden Räumlichkeiten zu nehmen in denen man so verzweifelt nach Munition, den goldenen Kunstschätzen und etlichen Geheimgängen zu gut versteckten Extraleben sucht. Bald schon lässt man aus vollem Herzen das Pixelblut fließen, entwickelt seine eigenen taktischen Methoden, die beschränkte KI der Gegner wirkungsvoll zu bekämpfen und wird zu einer gierigen zerstörerischen Kampfmaschine, die im Endgegner nicht mehr den bösen Führer sondern vielleicht den bösen Chef oder den schnarchenden Zimmernachbarn sieht.

Aber das war letztlich nicht der Grund, dass dieses Spiel schnell auf dem Index gelandet ist. Denn die im Spiel verwendete staatsgefährdende Symbolik passt einem jungen, in einer freien Demokratie aufwachsenden, hoffnungstragenden Menschen nicht ins Weltbild und spielt obendrein gewissen gesellschaftlichen Randgruppen in die Hände. Jedoch verantwortungsvoll denkende Menschen, wie es die Erziehungsberechtigten und Lehrer der vielen Opfer des Spieles seinerzeit zweifellos waren, sind dem grausamen, erbarmungslosen und platten Abmetzeln von Menschen zum Spaß und Zeitvertreib natürlich nie erlegen und werden es auch heute dem, in einem neuem unwiderstehlichen, fast schon fotorealistisch wirkenden, neuen Gewand daherkommenden, Wolfenstein: The New Order nicht sein.

Aber der weltweit einschlagende Erfolg dieses Titels und die bis heute anhaltende Entwicklung des durch ihn begründeten Spielprinzips geben dem Spieler von damals im Rückblick heute das Recht und verpflichten ihn geradezu dazu, dieses Spiel nicht etwa zu verteufeln, sondern darin einen geradezu genialen sowohl zeitlich als auch thematisch passenden Beginn einer neuen Computerära zu sehen. Denn durch den Hunger an Rechenleistung dieser neuen Art von Software begünstigt, wurde die schnelle Entwicklung besserer Hardware durch den spieleliebenden Konsumenten schlagartig vorangetrieben. Soweit wäre es nicht gekommen, hätte der faule Spiele-Nerd lieber etwas für die Gesundheit getan, seine Paintball-Pistole eingepackt und sich in einem echten Gefecht in der freien Natur mit seinen Kumpels ein paar bunte Salven verpasst. Das hätte wenigstens echte Kerle aus uns gemacht.

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