Normality
für PC (VGA)

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LostInSpace:
Firma: Gremlin Interactive
Jahr: 1996
Genre: Adventure
Thema: Apokalypse / Science Fiction
Sprache: English, Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 7233
Rezension von LostInSpace (30.06.2017)
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Normality wirft den Spieler in eine ins psychedelisch abgleitende dystopische Metropole. Mittendrin verkörpert man eine überraschenderweise schon in die Mitvierziger gekommene Teenagerfigur namens Kent und findet sich in seiner im Chaos versunkenen Wohnung wieder, in der ich dank Altersfreigabe ab 6 Jahren weder Bierflaschen, noch Pornohefte oder gar eine riesige total verdreckte Bong finde. Stattdessen gibt es nur die Glotze, einen tropfenden Wasserhahn und einen ständig nickenden Stehauf-Vogel. Die Düsternis und Abgerissenheit von Neutropolis passt so gar nicht zum zutiefst gutmütigen und heiter-fröhlichen Gemüt unseres Protagonisten.

Handlung

Dieser mehr oder weniger stereotype Langweiler der 90er Jahre macht sich auf den Weg, seine Stadt zu retten. Für einen geordneten Widerstand muss er sich allerdings erst einer entsprechenden Untergrundorganisation anschließen. Das ging auch schon vor 20 Jahren ganz ohne Internet oder gar Darknet! Überhaupt erscheint in dieser Metropole die ganze moderne Technik als eine unheimlichen Bedrohung von hinterlistigen und machtversessenen Verrückten. Die haben natürlich nur eins im Sinn: die eigene Macht zu stärken und die Schwachen weiter rücksichtlos und erbarmungslos zu unterjochen. Dazu ist jedes Mittel Recht und so muss der Fernseher als „24-Stunden-Brainwashing-Maschine“ herhalten. Das schreit förmlich nach einer Revolution. Doch die Stadt ist scheinbar nur von einigen wenigen gleichgesinnten Freaks bewohnt, so dass sich kein echter Flashmob bilden kann. So bleibt die ganze Arbeit an unserem Helden hängen, der die Macht des Obermotz' und bösen Zwillings Saul wieder seinem rechtmäßigen Bruder und Besitzer Paul zum Wohl der Bevölkerung in die Hände gibt.

Gameplay

Die 3D-Perspektive in einem Adventure ist sicherlich ein Versuch und mag als innovativ gelten. Die Frage ist, ob es ohne entsprechende Kampfhandlungen und Gegner für das Spielgefühl Sinn ergibt. Bis auf gelegentliche Sprünge gibt es nämlich keine Actioneinlagen oder etwa Mini-Spiele. Damit bleibt das Spielgeschehen ganz klassisch beim Lösen von Puzzles. Dreh- und Angelpunkt der Rätselei ist nicht etwa ein stinknormales Aktionenmenü. Die Kreativität der Entwickler beschert uns eine Puppe mit dem Aussehen Kents, die Pantomimen-artig die verschiedenen Aktionen andeutet. Damit muss man zum Beispiel eine E-Gitarre zum Öffnen einer Gittertür benutzen. Das ist natürlich ein Dolchstoß ins Herz eines jeden Gitarristen und die einzige Stelle an der man eine tatsächlich eine „Waffe“ in der Hand hält. Die Stimmung der 3D-Umgebung wird in den Zwischensequenzen aufgegriffen und das Spiel wirkt damit eher aus einem Guss. Durch den direkten Blickwinkel mag das Spielerlebnis sogar intensiver sein, als in einer etwas abstrakteren 2D Welt. Der 3D Effekt wurde letztendlich technisch einwandfrei umgesetzt, bleibt aber, wie ich finde, in diesem Genre eher experimentell.

Spielspaß

Dem Protagonisten ist es so wichtig seinen Spaß zu haben, dass er dafür sogar in den Knast wandert. Obwohl man diesen heroischen Typen steuern darf, ist mir persönlich der Spaß insgesamt zu kurz gekommen. Die Szenerie ist einfach zu unbelebt und damit langweilig, um auf einer echten Spaßwelle zu schwimmen. Die Anzahl Figuren, mit denen man interagieren kann, lässt sich an einer Hand abzählen. Die Dialoge beschränken sich auf die Auswahl von vorgegebenen Antworten. Positiv ist die durchgehende Sprachausgabe, wahlweise auch auf Deutsch. Dabei unterhält man sich auf relativ sachlicher Ebene mit total überzogenen Gestalten. Diese Karikaturen ihrer selbst nehmen sich zum Glück selbst nicht besonders ernst und strahlen auf diese Weise einen gewissen Humor aus. Die düstere 3D-Welt ist zwar auf den ersten Blick sehr groß und lädt zur Erkundung ein. Doch bei näherer Betrachtung handelt es sich nur um eine riesige und unbelebte Kulisse. Bei Entdeckungstouren stößt man größtenteils auf verschlossene Türen und Sackgassen. Die Musikbegleitung lenkt ein bisschen von der eintönigen Trostlosigkeit ab. Der Soundtrack zählt durchaus zu den Stärken des Spiels. Die Musik bildet einen Gegenpol zur vorherrschenden Tristesse, indem der Sound betont lässig und leichtfüßig daherkommt. An den wenigen Stellen, wo die Handlung fortgesetzt wird, kommt als Belohnung sehr oft eine üppige Videosequenz. Diese sind für damalige Verhältnisse recht aufwendig gerendert und waren sicherlich durchaus hübsch anzusehen. Heutzutage sehen die Figuren plump und ungelenk aus und erwärmen nur einen echten Nostalgiker.

Moral von der Geschicht'

Sicherlich sollte eine zur Verniedlichung neigende, satirehafte Verballhornung von typischen Teenager-Klischees der 90er Jahre produziert werden. Dabei wurden unangenehme, aber damals aktuelle Themen wie Gewalt, Drogen und Exzess ausgeklammert und durch eine kafkaeske bedrohliche Welt à la Orwells 1984 ersetzt, in der unser ewig pubertierender Held orientierungslos und planlos seinen Mann steht. Und das dicke Ende kommt gleich noch: Hinter der merkwürdigen Story versteckt sich doch tatsächlich eine religiös-christliche Botschaft: Ist dies nicht der Kampf des David gegen Goliath mit dem Ziel der Bekehrung des Saulus zum Paulus? Bekehren wird mich dieses Spiel auf keinen Fall. Da kann Kent noch so „cool“ sein.

Kommentare (3) [Kommentar schreiben]

LostInSpace:
Nach dem Motto "Power to the people" wehrt sich unser Held gegen die Tyrannei des bösen Spaß-Kontroll-Regimes. Denn erst bei der Party im Abspann kann Kent zusammen mit seinen Freunden feiern und Spaß haben.
Mr Creosote:
Hm, wenn's ihm gut geht und er glücklich ist, warum will Kent dann überhaupt eine Revolution?
[Antworten]

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