Railroad Tycoon Deluxe
für PC (DOS)
Auch verfügbar für: PC (DOS) (Railroad Tycoon)

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Mr Creosote:
Firma: Microprose
Jahr: 1993
Genre: Strategie
Thema: Geschäftswelt / Logistik
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 10023
Rezension von Mr Creosote (09.09.2017)
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1993 veröffentlichte Microprose ein paar ihrer früheren Hits als sogenannte Deluxe-Editionen. Railroad Tycoon, zu der Zeit noch nicht einmal alt, war darunter. Wie erwartet handelt es sich praktisch nur um ein grafisches Upgrade und tatsächlich nicht einmal um ein besonders attraktives; zwar wurde die Bildschirmauflösung hochgeschraubt und ein paar digitalisierte Fotos illustrieren besondere Ereignisse, aber die Qualität der Hauptgrafik ist nicht wirklich besser. Davon abgesehen gibt es drei neue Szenarien: Nordamerika (komplett), Südamerika und Südafrika. Letztere beide reihen sich weit oben auf der Schwierigkeitsskala ein. Dafür muss man auf England verzichten.

Das war's. Es ist einfach Railroad Tycoon. Doch was bedeutet das eigentlich? Zweifellos handelt es sich um das stilprägende Spiel, das im Genre der Modelleisenbahnlogistik die bis heute gültigen Standards gesetzt hat. Auf der gewählten Karte investiert man sein Startkapital in eine erste Bahnstrecke… vielleicht als Verbindung zweier Städte. Dann kauft man seinen ersten Zug, setzt ihn auf die Schienen und transportiert damit Passagiere oder Waren hin und her. Liefert man die richtigen Waren zum richtigen Ort, wo sie gebraucht werden, klingelt die Kasse. Hoffentlich derart, dass die Einnahmen die laufenden Kosten übersteigen, so dass man den Profit wiederum in weiteren Ausbau des Schienennetzes stecken kann.

Man muss sich heute nochmal explizit ins Gedächtnis rufen, wie revolutionär dieses Thema im Spiel umgesetzt wurde. Anstatt die Interaktion über statische Zahlenkolonnen, Diagramme und Menüs abzufrühstücken, läuft das Spiel in Echtzeit auf einer recht greifbaren Landkarte ab. Eine Karte, die intuitive Informationen über Landschaftstypen (Wiesen, Wälder, Hügel usw.), Städte (inklusive ihrer Größe, ohne dafür die Pixelgrafik mit einer getippten Zahl zu überlagern), natürlichen Ressourcen (Erzminen, Farmen…) und Industrie vermittelt. Eine Karte, auf der man direkt die Schienen verlegt und auf der sie auch permanent sichtbar bleiben, über die winzige Lokomotiven puffen und dabei unterscheidbare Wagentypen ziehen.

Es handelt sich um eine Metapher ohne (oder nur geringer) Abstraktion; die Handlungen des Spielers haben sichtbare, bleibende Effekte auf die Spielwelt. Wobei die Welt sich auch sonst, ohne Einwirkung des Spielers, in permanentem Fluss befindet: Städte wachsen, Slums bilden sich, Minen sind erschöpft, Fabriken öffnen ihre Pforten usw. Railroad Tycoon simuliert eine Welt und stellt sie in aller (aus heutiger Sicht „retro“, aber immer noch ausreichend ansehnlicher) Blüte dar.

Im Rückblick mit der Erfahrung der letzten 25 Jahre ist es natürlich leicht, den Finger auf die (wenigen) Problemchen des Spiels zu legen. Am Unsinnigsten wirkt heutzutage natürlich die Beschränkung auf 40 Züge und 40 Bahnhöfe pro Firma, die in der Deluxe-Version nicht gelockert wurde, obwohl die fortgeschrittene Technik es sicher erlaubt hätte. Angesichts der Kartengröße nicht einmal ansatzweise ausreichend, wenn man wirklich erfolgreich expandiert.

Wobei die Verwaltung größerer Zugflotten und Transportnetze ohnehin reichlich Arbeit bedeutet. Zwar gibt es durchaus Funktionen, die den Spieler ganz gut unterstützen (wie beispielsweise die Meldung, wenn eine alte Lok ausgetauscht werden muss), aber genau den richtigen Zug aus der langen, mehrseitigen Liste herauszupicken, ist gar nicht mal so einfach. Einen Fahrplan neuen Bedingungen anzupassen… puh, der abstrahierte (da ist er, der böse Begriff) Streckenplan könnte etwas praktischer gestaltet werden. Fahrpläne können maximal vier Stationen enthalten, wodurch die Streckenführung ohnehin nicht besonders komplex werden kann, aber warum können die Fahrpläne mehrerer Züge nicht gleich miteinander verbunden, sondern müssen jeweils einzeln verwaltet werden? Und je weniger Worte man über das Signalsystem, das zwar auf dem Papier gut wirkt, aber sich praktisch mit der Wegfindungsroutine, die darauf besteht, Züge grundsätzlich auf Kollisionskurs zu schicken, beißt, desto besser.

Die Börse, an der man Aktien der eigenen und der anderen Firmen handeln kann und auch eine feindliche Übernahme erlaubt, wirkt wie ein nachträglicher Einfall. Sie erlaubt zwar ein paar nette Tricks, aber die Verwaltung übernommener Firmen bleibt recht rudimentär. Der Kampf um die Bedienung einzelner Bahnhöfe, der explizit zwischen zwei Firmen dadurch ausgetragen wird, dass die gelieferten und abstransportierten Volumina verglichen werden, ist zu langwierig und schwierig zu gewinnen, als dass man damit der Konkurrenz wirklich entscheidende Schläge versetzen könnte.

Die meisten dieser Einschränkungen liegen natürlich in der verfügbaren Technik der Zeit begründet. Im Vergleich zur damals verfügbaren Konkurrenz im Genre bot Railroad Tycoon ungekannten Spielkomfort, vor Allem dank seines (weitgehend) mausgesteuerten Interfaces, das auf der berühmten Karte genauso funktioniert, wie man es erwartet. Abgesehen von den genannten Einschränkungen schlägt sich das Spiel auch heute noch gut; es hält sich komfortabel und gleichzeitig inhaltlich fordernd.

Eigentlich muss man nur eines wirklich bedauern. Historische Ereignisse (passend zum gewählten Szenario) werden zwar im Spiel genannt, aber nicht spielerisch reflektiert. Beispielsweise gab es vor ungefähr 100 Jahren so eine „kleine Unstimmigkeit“, die später als Erster Weltkrieg bezeichnet wurde. Spielt man in Europa, bekommt man zwar Zeitungsschlagzeilen zum Fortgang zu Gesicht, aber die Züge rollen weiter fröhlich über die Grenzen, es kommt selbst in Frontnähe zu keinen bewussten oder kollateralen Zerstörungen und selbst die Nationen melden sich nicht bezüglich logistischer Unterstützung von Truppen oder Material. Das Spiel findet vielmehr in einer kapitalistischen Traumwelt statt, in der es keine Regierungen oder andere administrativen Körperschaften gibt, die jedwede Regeln aufstellen, gibt. Die Welt befindet sich, wie bereits erwähnt, im Fluss, jedoch wird dies nur durch Zufallsprozesse gesteuert. Die Chance, durch geskriptete Ereignisse weitere Würze ins Spiel zu bringen, wurde nicht genutzt.

Trotz Allem: Alle Kritikpunkte beziehen sich nur darauf, wie Railroad Tycoon noch besser hätte sein können. Die meisten Punkte wurden erst im langen Rückblick klar und waren kein Thema zur Entstehungszeit. Selbst als Deluxe herauskam gab es noch kein Konkurrenzspiel auf dem Markt, das wirklich bahnbrechende Neuerungen auf konzeptueller, grafischer oder bedienungstechnischer Ebene bot. Trotzdem natürlisch schade, dass die Deluxe-Version nicht genutzt wurde, zumindest etwas in dieser Richtung zu versuchen. Denn nur kurze Zeit später kam tatsächlich ein Spiel, das in all diesen Belangen einen entscheidenden Fortschritt darstellte; auch wenn man immer noch zugeben musste, dass das alles auf den etablierten Schienen RTs geschah. Es stammte sogar von der gleichen Firma…

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