Nemac IV
für Amiga

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Mr Creosote:
Firma: ZenTek
Jahr: 1996
Genre: Action
Thema: Science Fiction
Sprache: Deutsch, English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 6739
Rezension von Mr Creosote (07.10.2017)
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Beinahe hatte man die Hoffnung schon aufgegeben. Nemac IV gelingt das Unmögliche: Nach all den vielen expliziten Enttäuschungen und mittelmäßigen Spielen ist dies endlich ein 3D-Shooter auf dem Amiga, der Spaß macht! Noch lange nicht perfekt, klar. Mit vielen spielerischen Einschränkungen, stimmt schon. Doch immerhin macht es das, was es anfasst, gut.

Der Spieler steuert einen Roboter durch einen Untergrundkomplex und hat damit die letzte Überlebenshoffnung der Menschheit in der Hand. Ferngesteuert muss Nemac IV zerstört werden, ein Computer, der die alleinige Kontrolle über die Waffensysteme des Landes hat. Nemac IV bildet sich ein, eine Testsimulation sei ein wirklicher Angriff und macht sich bereit, sich zu verteidigen. Und so weiter und so fort. War Games dürfte ja wohl jedem bekannt sein, oder?

Das Spiel beschränkt sich auf das absolut Notwendige. Neue Waffen einsammeln? Nein, der Roboter ist bereits mit allen denkbaren ausgerüstet. Nur um Munitionsnachschub hat man sich gefälligst zu kümmern. Korridore oder Treppen, die hoch- und runterführen? Gibt es weit und breit nicht. Abwechslungsreiche Wandtexturen? Nicht wirklich, alles sieht bis zum Ende hin so metallisch grau aus. Sich verändernde Lichtverhältnisse? Homogen pro Level. Sound? Kann nicht mit den Genreperlen mithalten. Multiplayer? Darauf muss man verzichten.

Einiges davon, wie der fehlende Multiplayermodus oder die ewig ähnlichen Texturen, sind schon schade. Doch was das Fundament angeht, verdient sich das Spiel einen Punkt nach dem anderen.

Grafik? Abgesehen von der Abwechslung ziemlich gut! Schon ab einem 68020 sieht das Spiel recht ansehnlich aus. Selbst auf ECS-Computern mit weniger Farben ist es noch problemlos akzeptabel. Eine echte 320x256-Standardauflösung kann man flüssig mit einem sehr schnellen 68030er oder 68040er erreichen, was dann bereits ziemlich scharf aussieht. Theoretisch kann man die Auflösung sogar noch viel höher drehen, doch ehrlich gesagt ist das dann nur mit einem Emulator und völlig illusorischen Einstellungen, die in der physischen Welt von keinem Computer erfüllt werden, spielbar (weshalb wir solcherlei Screenshots gar nicht erst zeigen). Über ECS und AGA hinaus werden auch Grafikkarten unterstützt.

Das Spielkonzept? Anstatt im Rambo-Stil wild um sich ballernd mit großen Hurra herumzurennen, betont und belohnt Nemac IV taktisches, unauffälliges Vorgehen. Vielleicht ist ja, um mal das Offensichtliche zu nennen, das Zielen auf die explosive Tonne in der Nähe des Gegners schlauer als auf jeden selbst? Zumindest, wenn man sich selbst in sicherem Abstand befindet. Auch die Gegner selbst bieten einige Abwechslung. Manche stürmen stumpf auf einen zu, agieren dafür aber in Gruppen, während andere pfeilschnell hin- und herwitschen und dabei hochfrequent feuern, so dass man kaum hinterherkommt. Und spätestens, wenn diese schwebenden Leuchtkugeln, die einen nicht einmal aktiv angreifen, einen dafür aber sukzessive einkreisen und bei Beschuss im großen Radius explodieren, auftauchen, wird's (im positiven Sinn) richtig fies – super Idee!

Die Levels? Wie üblich bestimmen verschlossene Türen den Weg des Spielers, nur mit Zugangscodes anstatt des Genrestandards farbiger Schlüssel. Kleine Timingrätsel, wie sich nur kurz öffnende Durchgänge, bringen darüber hinaus etwas Salz in die Suppe. Geheimräume sind gut versteckt, machen mit ihren Boni das Suchen aber lohnenswert. Die Platzierung der Gegner ist fair geraten (wobei allerdings ihre künstliche Intelligenz manchmal etwas dürftig agiert): Anders als in gewissen anderen Spielen wartet zum Beispiel nicht hinter jeder Tür oder jeder Ecke grundsätzlich ein Haufen.

Die Steuerung? Die intelligent verteilten und einstellbaren Tastaturbefehle erlauben das Laufen, Rennen, schräges Ausweichen (anscheinend in der Nomenklatur des Genres – amerikanisch ausgesprochen – „Strafen“), Schießen (auch aus mehr als einem Rohr zur Zeit, wenn denn nötig)… mit ein bisschen Übung geht es recht effizient und intuitiv von der Hand. Die frei zoombare Automap, die sogar mittels kleiner Icons herumliegende Objekte sowie die letzte bekannte Position der Gegner anzeigt, ist eine der besten des Genres.

Nemac IV gewinnt keine Innovationspreise. Dafür ist es hervorragendes Handwerk. Es hat sich nicht zu viel vorgenommen, was wohl die Wurzel seines Erfolges ist. So unglaublich es klingt, es fällt nicht einmal in den Bereich des guilty pleasure (wie beispielsweise der vorige Genrekönig des Systems, Gloom Deluxe), sondern sorgt tatsächlich für echte Spannung!

P.S. Der Director's Cut, der ein Jahr später auf CD herauskam, unterscheidet sich nur durch ein paar zusätzliche Zwischensequenzen. Das Spiel selbst ist identisch.

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