Seas of Blood
für Spielbuch
Auch verfügbar für: ZX Spectrum

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Mr Creosote:LostInSpace:Gesamt:
3.5/6
Weitere Titel: Das Duell der Piraten
Firma: Puffin Books
Jahr: 1985
Genre: Rollenspiel
Thema: Kämpfen / Schifffahrt / Piraten / Schwerter & Magie / Textbasiert
Sprache: English, Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 9698
Rezension von Mr Creosote, LostInSpace (16.03.2019)
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[Mr Creosote] Das Duell der Piraten… es wird für mich eine schwierige Diskussion, denn ich muss gestehen, dies war dasjenige Spielbuch, das ich in Kindertagen wahrscheinlich häufiger gelesen/gespielt habe, als jedes andere. Ob das nun ausschließlich an der Thematik oder auch an spielerischen oder sonstigen Aspekten lag, gilt es heute herauszufinden. Wobei ich nicht garantieren kann, immer objektiv bleiben zu können. Ich bitte also schonmal im Vorfeld um Verständnis für nostalgische Ausbrüche!

[LostInSpace] Dann kann ich hier sicher einen guten Teil an Objektivität reinbringen, denn für mich war das jetzt aktuell erst mein zweites Spielbuch überhaupt. Obwohl ich auf die Thematik gespannt war und der Titel verheißungsvoll klingt, bin ich mit diesem Abenteuer letztendlich nicht sehr warm geworden.

[Mr Creosote] Dann freue ich mich schon auf dieses Duell ;) Denn darum geht es hier ja: Ein Wettbewerb der beiden größten Halsabschneider, die mit ihren Schiffen ein Binnenmeer unsicher machen. Innerhalb von 50 Tagen wollen sie sich an neutraler Stelle treffen und dann die bis dahin angehäufte Beute vergleichen.

(Außer-) gewöhnlich?

[LostInSpace] Da fängt meine Kritik schon an: Viel mehr als den Namen Abdul erfährt man nicht über seinen Konkurrenten und auch die eigene Spielerpersönlichkeit bleibt irgendwie unentdeckt im Dunkeln, wie ein lang verborgener Schatz im Meer.

[Mr Creosote] Der Protagonist bekommt im Laufe des Spiels schon einige Persönlichkeit, finde ich. Insbesondere, wenn er mit seiner eigenen Mannschaft in Konflikt gerät. Und was „Abdul“ angeht, setzt er immerhin durch seine Tracht und seinen Namen schonmal ein Zeichen, dass es sich um eine kulturell vielfältige Spielwelt handelt.

[LostInSpace] Ich versuche dir in diese Spielewelt zu folgen und sehe tatsächlich nicht nur eine zerklüftete Küste mit fantasiereichen Namen, sondern auch einige exotische Inseln im Binnenmeer, das durchschifft werden soll. Dies sind die einzelnen Stationen auf unserer Reise zur Insel Nippur und wir sind dabei große Helden zu werden. Aber wohlgemerkt: Wir sind schon von vornherein Helden! Wir beide – Abdul und ich – sind die größten Halsabschneider in dieser Region. Auf dem Streben nach Alleinherrschaftmuss eben nur noch diesem „Multikulti“ Abdul das Maul gestopft werden. Diese Art Wette wirkt auf mich total konstruiert und ich tat mich von Anfang an schwer damit dieser Wette irgendeine Form von Spannung abzugewinnen. Trotz des facettenreichen Settings.

[Mr Creosote] Man ist halt der „Bad Guy“. Es gibt keine dunkle Bedrohung der Welt, die man abwenden muss. Da lauert kein Bösewicht in seiner Festung, den es aufzuhalten gilt. Es geht nur um sinnlosen Geltungsdrang und Abenteuerlust. Was ich eigentich sehr positiv finde.

Zugegeben, die Wette ergibt in dieser Form wenig Sinn. Das Binnenmeer ist nicht so riesig, als das man all diese Orte nicht schon ein Dutzend mal geplündert haben müsste. Aber, gut, das bin ich bereit zu schlucken.

[LostInSpace] Bei der Frage wer dieser Pirat eigentlich ist, in dessen Haut ich schlüpfe, habe ich im Buch so gut wie keinen Hinweis bekommen. Warum also nicht einfach das Titelcover der (deutschen) Ausgabe heranziehen? Da sieht man einen durchtrainierten Typen mit entblößter Brust unter dem zerrissenem weißen Hemd und einer Pistole und Machete in den Händen. Die Haare sind kurzgeschoren und Kinn und Brust scheinen gut rasiert zu sein. Dieser Typ hat nichts mit den üblichen Bösewichten zu tun, die ich aus Funk und Fernsehen kenne. Im Gegenteil: Das ist Schwiegermutters Liebling, der Rächer der Enterbten, der Beschützer von Witwen und Waisen. Den Stereotyp eines bösen, gemeinen und gewissenlosen Piraten sucht man sowohl auf dem Cover, als auch in den Beschreibungen des Buches vergeblich.

[Mr Creosote] Letztlich liegt es an dir, den Charakter mit Leben zu füllen. Durch deine Entscheidungen.

Vielfalt oder Beliebigkeit?

[Mr Creosote] Wovon es in diesem Buch eine Menge gibt, und zwar sehr grundlegende. Geht man mit Schiff und Mannschaft auf Plünderfahrt gegen Handelsschiffe? Legt man sich an Land auf die Lauer nach Karawanen? Überfällt man Siedlungen? Oder begibt man sich sogar mal allein auf Erkundungstour durch Tempelruinen?

[LostInSpace] Tatsächlich kann die Summe der Entscheidungen bis zu einem gewissen Grad auch ein Bild zeichnen, wie derjenige tickt, der die Entscheidungen trifft. Das macht das Buch sicher für diejenigen reizvoll, die das Buch auf mehrere Arten durchspielen wollen. Das impliziert eben das Gesagte: Diese Lektüre bietet eben keinen vorgefertigten Charakter, sondern ist ein Spielfeld zur Entfaltung seiner eigenen Persönlichkeit. Gewünscht hätte ich mir mehr Anpassung der Story an eine (Anti-)Heldenfigur. Der Leser sollte in Entscheidungssituationen auf die Einschätzung seiner eigenen Rolle vertrauen können und sich fragen dürfen: „Was würde ein richtiger ‚bad guy‘ in dieser Situation tun?“. Die Antwort sollte dann im weiteren Verlauf von der Geschichte mitgetragen werden. Tatsächlich tut sie das aber nicht, sondern nimmt den Leser mit auf eine Irrfahrt ohne erkennbaren roten Faden.

[Mr Creosote] Das Abenteuer ist zugegeben recht episodenhaft. Man springt von einem Ort zum anderen, groß aufeinander auf baut da wenig. Was sich auch spielerisch insofern niederschlägt, dass man kaum Inventarobjekte (abgesehen von Reichtümern) findet, die man in späteren Episoden praktisch einsetzen kann. Andererseits ist die Abwechslung dadurch eben wirklich sehr groß und jedes Durchspielen gestaltet sich (zumindest ein paar Mal) spürbar anders.

Witzig, dass du den Begriff „Irrfahrt“ verwendest. Denn für mindestens zwei Szenen (der Zyklop und die Vogelfrau) stand ja wohl direkt Odysseus Pate.

[LostInSpace] Was da alles recycled und neu angestrichen wurde, will ich gar nicht anprangern. Denn der Autor Andrew Chapman wird das Rad nicht neu erfinden. Aber diese Melange ist eben inhomogen und so ein richtig starker Charkterkopf ala Jack Sparrow hätte dem Buch als Leitmotiv sicherlich gut getan.

[Mr Creosote] Letztlich ist das die uralte Diskussion um die Frage, ob in einem interaktiven Medium der Protagonist als reine Projektionsfläche für den Spieler dienen oder einen eigenen starken Charakter, der dann aber dem Spieler entgegenstehen könnte, bekommen soll. Hat beides seine Vor- und Nachteile.

Fantasievolle Genrekost?

[Mr Creosote] Um Jack Sparrow aufzugreifen, so ist der Vergleich gar nicht mal so falsch. Weniger wegen der Person, aber sehr wohl bezüglich der Art der Abenteuer. Denn dieses Buch rührt in die Piratensuppe ebenfalls (20 Jahre vor Herrn Spatz) eine ordentliche Portion Fantasy mit ein.

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[LostInSpace] Wie schon erwähnt wurde in dem Buch sehr viel Material aus anderen Vorlagen entlehnt. Um das Ganze nicht wie ein Textsammlung zum Thema Piraten aussehen zu lassen wurde dann mit Fantasy-Elementen versucht, eine einheitlich Welt als Heimat dieser ganzen Abenteuergeschichten zu konstruieren. Dass in dieser neuen Welt die Hauptfigur ein Bösewicht ist, ist für einen Roman lang vor dem Erscheinen von Fluch der Karibik natürlich visionär.

[Mr Creosote] Mich sprach das auf jeden Fall in Kindertagen weit mehr an, als der übliche Ritter in glänzender Rüstung zu sein. Die Assoziationen mit (im Grunde genommen „guten“) Hollywoodpiraten der Marke Errol Flynn waren fantasieanregend genug. Und dann kamen eben all diese super Szenen obendrauf: der Kampf mit einer riesenhaften Seeschlange, die Erstürmung einer Festung, die Hafenkaschemmen, ein Tauchgang zu einem Wrack, ein vergrabener Schatz… genau das, was ich bei einem solchen Buch sehen wollte und immer noch sehen will!

[LostInSpace] Die Vielzahl solcher Abenteuer-Szenen ist unbestritten eine ganz große Stärke des Romans. Der Autor geht noch weiter und experimentiert dann später auch mit dem etablierten Kampfsystem beim Aufeinandertreffen mit dem Zyklopen. In diesem Zusammenhang finde ich auch Interaktionen wie die Teilnahme an Glückspielen oder den Verkauf von Sklaven für ziemlich innovativ, wenn man die Beschränkheit des Mediums dabei in Betracht zieht.

[Mr Creosote] Die Aufgaben sind vielfältig, größtenteils im Guten mit wenigen Ausreißern. Die Welt an sich ist für mich aber über ziemlich jede Kritik erhaben. Denn es finden hier, im Gegensatz zu den fast allen anderen Spielbüchern, sogar kleine Versuche statt, die Welt an sich lebendig zu gestalten. Normalerweise scheint ja immer nur alles und jeder auf den Protagonisten zu warten. Anders in diesem Meer, wo ein eine Barke nun mal ihren eigenen Kurs hat und zu bestimmten Zeitpunkten an gewissen Orten anzutreffen ist, ansonsten aber eben nicht. Oder da sind diese zwei Städte, die miteinander im Clinch liegen und schwupps… ist das eigene Schiff in der Mitte des Konflikts und anstatt heroisch wehrlose Kähne zu entern, geht es nur noch ums nackte Davonkommen. Nicht zuletzt kreuzen sich zwar nicht die Wege ganz direkt mit Abduls Schiff, aber immerhin hat auch er Spuren hinterlassen auf der Route.

[LostInSpace] Ja, auch die Bewegung mit dem Schiff zwischen den Inseln ist auf der Liste der Innovationen zu nennen. Im Buch ist vorn sogar eine Landkarte abgedruckt, damit man den Überblick behält wo man sich momentan befindet. Die Gefahr dabei ist, dass die Spielewelt zu einer Kulisse verkommt. Diesen Eindruck hatte ich, als ich mit viel Mühe die Festung Kisch auf der Westseite des Binnenmeers erreicht hatte. Bei der Einfahrt wird mein Schiff dann durch eine Eisenkette gestoppt, die quer über den Fluss gespannt ist. Auch sämtlich Versuche die Burg zu erstürmen schlagen fehl. Ich war im wahrsten Sinne des Wortes in einer Sackgasse gelandet. Die Festung Kisch kann man in diesem Buch nicht betreten.

Ist besser immer besser?

[Mr Creosote] Es läuft also durchaus nicht immer alles nach Plan. In diesem Zusammenhang fiel mir diesmal sehr positiv auf, dass den Optimierern unter den Spielern das eine oder andere Schnippchen geschlagen wird: Die scheinbar „bessere“ Würfeloption ist bei näherer Betrachtung gar nicht immer die vorteilhaftere. Beispiel: Je nach Würfelwurf im Vergleich zur Mannschaftsstärke braucht man für manche Passagen mehr oder weniger Tage. Wichtig, da man ja insgesamt nicht länger als 50 Tage brauchen darf aufgrund der Bedingungen der Wette. Also ist natürlich die schnellere Reise zu bevorzugen, oder? Falsch gedacht: Noch recht am Anfang trifft man dann auf ein bis an die Zähne bewaffnetes Kriegsschiff, während man einen Tag später an gleicher Stelle leichte Beute in Form eines wehrlosen Handelsschiffs vorfindet.

[LostInSpace] Der Autor hätte hier ebenfalls den Schwierigkeitsgrad etwas drosseln können und dem Spieler mehr Zeit für seine Erkundungen geben können. Beispielsweise durch die Erhöhung des Tageslimits auf 60 oder 70 Tage. Natürlich macht das irgendwann auch keinen Sinn mehr überhaupt noch ein Limit zu haben. Aber zumindest wäre man nicht von vornherein gezwungen so extrem zu optimieren und könnte sich tatsächlich in Ruhe auf die Lauer nach Beute legen.

[Mr Creosote] Dass man an einer der beiden magischen Hilfestellungen für schnellere Reisen vorbeikommt, wird quasi vorausgesetzt. Aber irgendwann hilft ohnehin alle Vorausplanung nichts mehr. Spätestens, wenn man nach zwei Dritteln des Buches gefragt wird, ob man nun insgesamt bislang eine gerade oder ungerade Anzahl Tage im Logbuch hat, würde das Backtracking zu verwoben, als dass man da noch sinnvoll „alte Spielstände“ (d.h. Finger zwischen den Seiten) reaktivieren könnte. Dazu kommt, dass es ohnehin nicht den einen „richtigen“ Pfad gibt. Das Buch erlaubt es tatsächlich, auf sehr unterschiedliche Weisen zu gewinnen.

Säbel bereit?

[LostInSpace] Beim Thema Schwierigkeitsgrad sollte man nicht verheimlichen, dass zum erfolgreichen Durchspielen so gut wie jeder Kampf gewonnen werden muss. Und von Kämpfen mit jeglicher Art von Monstern wie dem fleischfressenden Baum, Riesenkrebs, Säurekugel, Krell oder einem Troglodyten ist man in diesem Buch geradezu umzingelt.

[Mr Creosote] Zusätzlich zum klassischen Individualkampf gibt es hier auch noch Duelle auf Mannschaftsbasis… mit eigenen, äquivalenten Werten. Wobei das initiale Auswürfeln der eigenen und der Mannschaftswerte schon ziemlich stark die Spielstrategie beeinflussen kann. Schwacher Schwertarm, aber viele Muskelprotze zur Hilfe? Also auf zur Kaperfahrt. Das Gegenteil? Dann vermeidet man lieber Zusammenstöße mit größeren Gruppen.

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[LostInSpace] Nur die ganz Mutigen unter den Spielern wagen sich diesen Monsterhorden mit zwei Würfeln bewaffnet entgegenzutreten. Denn ein ausgewürfelter Kampf ist erstens sehr zeitintensiv und zweitens sehr nervenaufreibend, da der Würfel leider die Eigenschaft hat, auch manchmal eine unangenehme Zahl zu zeigen. Und so kann schon eine kleine Pechsträhne soviel Stärkepunkte fressen, dass der nächste Kampf gegen ein noch viel stärkeres Monster sofort verloren gegeben werden muss. Nur ein hartgesottener Glücksspieler ist hier in seinem Element.

[Mr Creosote] Kämpfe sind an der Tagesordnung, ja. Allerdings hatte ich nie den Eindruck, vor wirklich unlösbaren Aufgaben zu stehen diesbezüglich. Die Gegner sind vergleichsweise schaffbar und verlorene Mannschaftsstärke kann man an mehreren Stellen der Geschichte wieder auffüllen. Ich hatte den klaren Eindruck, dass man mehrfach spielen soll, um größere Teile der Welt zu erkunden, als um immer wieder neue Anläufe gegen den gleichen übermächtigen Gegner zu unternehmen.

[LostInSpace] An einigen Stellen müssen aber trotz allem erst mehrere Gegner hintereinander besiegt werden, bis man an die ersehnte Beute kommt. Dabei hat man zwar jedes mal die Wahl auch wegzulaufen. Aber nach der Rückkehr sind wieder sämtliche Monster da und müssen erneut bezwungen werden, was das Weglaufen nicht sonderlich sinnvoll erscheinen lässt. Sollte man trotz dieser Widrigkeiten besonders erfolgreich sein, hat das Buch dann auch noch eine Überraschung für den gewieften Spieler: Gier wird nämlich bestraft. Wenn man ein kleines Städtchen nach dem Niedermetzeln seiner Einwohner auch noch plündern will, kommt eine ziemlich starke Kavallerie zur Hilfe (141). Die kann man zwar auch besiegen, jedoch bekommt man nichts dafür.

[Mr Creosote] Die einzelnen Kämpfe sind aber wirklich gut ausbalanciert, finde ich. Bei Individualkämpfen gibt es im gesamten Buch nur sechs Gegner mit einer Gewandtheit von 10 oder mehr. Der Oger: völlig optionaler Kampf, der auch auf wenige Kampfrunden begrenzt ist und eine Niederlage beendet nicht das Abenteuer; der Schatten, der Abt und der Salamander haben alle sehr wenig Stärkepunkte; bleiben der Vogel Roch und die Sith-Kugel. Die sind tatsächlich happige Gegner, aber ersterer lässt sich an sich mit Hilfe der Mannschaft bekämpfen, um so dem Einzelkampf aus dem Weg zu gehen.

[LostInSpace] Das ist eben die grundsätzliche Frage, ob das Würfeln und damit das Glück einen Kampf bestimmen sollte. Irgendwann hat jeder auch mal Pech und dann kann schon eine einfache „Versuche-dein-Glück“-Abfrage zum abrupten Ende des Abenteuers werden. Man beginnt also irgendwann automatisch damit zu schummeln. Und das hebelt jede Dramatik der Kämpfe aus.

[Mr Creosote] Gut, das sind natürlich einfach die seit dem ersten Buch der Reihe etablierten Regeln, wie sie äquivalent auch in jedem anderen Rollenspielsystem vorkommen. Kann man kritisieren, muss man aber nicht. Ich erinnere mich diesbezüglich an viel frustrierendere andere Bücher. Bücher, bei denen man mit einem Charakter unter Gewandtheit 11 gar nicht erst anzufangen braucht.

[LostInSpace] Ein Spiel, in dem meiner Meinung nach das Auswürfeln von Kämpfen tatsächlich funktioniert ist Arcane Quest 2 – Dawn Of The Guild. Hier ist dieses „uralte“ Würfelprinzip gar kein Hindernis, da die Spielbalance perfekt ist und auch ein schlechter Wurf nicht sofort das Ende bedeutet. Aber auch in diesem Spiel sollte man alles in allem überdurchschnittlich würfeln, damit das Ergebnis stimmt. Dafür ist das Spiel dann auch in Kapitel/Level untergliedert, damit man nicht ständig von vorn beginnen muss. Diese Art von Quereinstieg vermisse ich in Das Duell der Piraten auch sehr stark.

Alles Gold dieser (Spiel-) Welt!

[LostInSpace] Und sogar mit einer unbesiegbaren Glückssträhne muss man die richtigen Entscheidungen treffen, um genug Beute zu machen. Da stellt das Buch die Messlatte auch ziemlich hoch auf: mehr als 800 Goldstücke. Beim ersten groben Durchlesen mit „Unsterblichkeit“ und mindestens sechs Savegame-Lesezeichen kam ich gerade mal auf 600 davon. Da muss man das Buch schon in- und auswendig kennen, um die richtigen Pfade anzupeilen und dann auch tatsächlich im Echtbetrieb zu schaffen!

[Mr Creosote] Ein zu großer Zufallsfaktor ist zugegeben drin: Der Preis, den man gegen Ende für seine Sklaven erzielt, macht potentiell einen Großteil der gesamten Beute aus. Dieser Preis variiert leider ungemein und, ja, nach reinem Zufallsprinzip. Positiv könnte man es so deuten, dass man selbst beim zehnten Durchspielen, wenn man eigentlich jeden Winkel schon kennt, nicht garantiert gewinnt.

LostInSpacee Man könnte dem Buch insofern eine gewisse Unausgewogenheit unterstellen?

[Mr Creosote] Im Bezug auf das Gewinnen der Wette durchaus. Ich sehe es allerdings so, dass der Weg das Ziel ist: Die aufregenden Abenteuer unterwegs entschädigen für das (sowohl bei Sieg, als auch Niederlage) unspektakuläre Ende.

Endbegegnung (oder -betrachtung?)

[Mr Creosote] Apropos spektakulär: Du hast doch schon den Endkampf gegen den Zyklopen angesprochen. Wie fandest du den?

[LostInSpace] Gut dass du das nochmal ansprichst. Bei der ganzen Debatte um das Glück und Pech im Würfelsystem, hat der werte Herr Chapman hier einen Weg gezeigt, wie man ganz anders an Kampfszenen herangehen kann. Hier werden dem Spieler in jedem Abschnitt Optionen vorgegeben, die die Art des nächsten Angriffs bestimmen. Zum Beispiel: 1. ins Handgelenk beißen 2. einen Schlag auf die Rückseite seines Ellenbogens versetzen oder 3. in die Schulter treten. Je nach Auswahl trägt der Zyklop dann mehr oder weniger Schaden davon. Strengenommen braucht man dazu auch Glück, die richtigen Aktionen zu finden. Trotzdem hat mir dieser Ansatz sehr gut gefallen. Ich würde sogar soweit gehen, zu sagen, dass dieser eine Kampf für das gesamte Buch völlig ausreichend gewesen wäre.

[Mr Creosote] Spielmechanisch absolut top, ja! Aber leider muss ich dir trotzdem im Bezug auf diesen Kampf in anderer Hinsicht rechtgeben: Der Kampf an sich ist unnötig wie ein Kropf, überhaupt nicht in die Geschichte integriert! Man ist auf der Insel des finalen Treffpunkts gelandet und will nun die Schätze vergleichen. Und dann soll man erst noch ein Monster bezwingen? So aus dem Nichts? Da hatte ich wirklich den Eindruck, das wurde nur eingebaut, weil man dachte, man bräuchte noch eine spektakuläre Endbegegnung.

[LostInSpace] Im Sinne einer klassischen Gut-Böse-Story hätte Abdul auch ein verräterischer Abtrünniger sein können, der am Schluss anstelle des Zyklopen besiegt wird. Danach könnte sich dann unser Held – um den Faden weiter zu spinnen – dann mit all seinen Schätzen von der eigenen Schuld freikaufen, um wieder als geachteter Seemann die Meere befahren zu dürfen. Diese Geschichte wäre dann weit nicht so aufgesetzt wie eine Wette zwischen zwei erfolgreich-bösen Piraten.

[Mr Creosote] Oder Abdul hätte einfach seine Niederlage nicht anerkannt und sein Schwert gezogen – da haben wir den Endkampf. An diesem Punkt kann ich deine Kritik des fehlenden roten Fadens auf jeden Fall nachvollziehen. Tut meinem insgesamt weiterhin sehr positiven Gesamteindruck jedoch keinen Abbruch. Klar, ein stark episodisches, aber dadurch auch sehr abwechslungsreiches Buch. Und die beschriebene ungemeine spielerische Freiheit, wie man die Reise angeht, überzeugt mich auch heute noch. Wie viel nun Nostalgie ist oder nicht, mag ich nicht abschließend zu sagen. Aber immerhin kann ich retrospektiv Einiges identifizieren, warum ich das Buch damals so mochte, und einiges davon meine ich im Laufe dieser Diskussion aufgezählt zu haben.

[LostInSpace] Das Piratengenre wird in diesem Buch meiner Meinung nach zu blass und allgemein abgehandelt. Was fehlt, ist ein bleibender Eindruck oder zumindest eine interessante Story. Auf der anderen Seite wurde auch sehr viel richtig gemacht, da der Autor das Medium und seine Möglichkeiten ausreizt und rein handwerklich zumindest alles richtig gemacht hat. Meine Erwartungen wurden aber bei Weitem nicht erfüllt. Ich habe natürlich auch als Kind sehr gern Piratengeschichten gelesen und mich dafür begeistert. Aber die Überspitzheit, die ich von damals noch kenne – Enterhaken als Hand, Papagei auf der Schulter, Rum-Buddel in der Hand, Säbel umgehängt, Zahnlücke, lange zottelige Haare – eben die Dinge, die mich früher begeistert haben, fehlen hier komplett. Dadurch ist auch die tollste „Tauche-im-Unterwasserwrack-nach-Schätzen“ Episode nur ein kleiner Stein in einem Mosaik, das in dem Fall einfach kein konkretes Muster für mich ergibt, sondern nur ein buntes nichtssagendes Konglomerat aus unzusammenhängenden Einzelgeschichten bleibt.

Kommentare (2) [Kommentar schreiben]

Herr M.:

Sehr feine Diskussion!

Ich persönlich habe ja die Vignetten-haften Geschichten bei Spielebüchern ein wenig lieber, weil sie ein wenig mehr Spielraum lassen und ein bisschen ein Gefühl von Freiheit geben. Wobei eine stringent erzählte Geschichte, wenn sie gut dargeboten wird, auch ihre Reize hat. Leider ist letzteres bei Spielebüchern ja eher die Ausnahme als die Regel. Und dann kommt dann noch das gute alte Sierra-Problem hinzu: Verpasse einen Gegenstand und scheitere im vorletzten Raum. :P

Was das Kampfsystem anbelangt: So schön simpel und "fair" es bei den Fighting Fantasy Vertretern auch ist, so bedeuten zwei drei Punkte Unterschied in Gewandtheit schon so ziemlich den sicheren Tod, weil man eben in der Normalverteilung aus zwei Würfeln sehr schnell in die unangenehmen Bereiche abrutschen kann. Hinzu kommt noch, dass die Autoren selten ein Gefühl dafür zeigen, wie wahrscheinlich es ist, dass man die Überwaffen findet (siehe oben) und dass man selbst mit guten Werten immer wieder Treffer einsteckt, und schon kann man den Charakter im Endkampf kübeln.

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