Robert Cath ist ein amerikanischer Arzt von Ende 20, der wegen seines Interesses an Mystik und alten eher esoterischen Formen der Heilkunde aus der medizinischen Gesellschaft geworfen wurde. Die letzten paar Jahre seines Lebens hat er in Paris verbracht. Dann aber haben ihn seine Studien nach Irland verschlagen, wo er direkt zwischen die Fronten des Kampfes der IRA gegen die Briten gerieht. Plötzlich wird er in ganz Europa wegen Polizistenmordes gesucht. Gerade zur richtigen Zeit kommt da die Einladung seines alten Freundes Tyler Whitney, mit ihm im Orientexpress nach Konstantinopel zu reisen. Cath sieht ein, dass das der einfachste Weg aus der Misere ist, und besteigt in Paris den Zug.... oder eher ein paar Kilometer später. Er öffnet die Tür zum Abteil seines Freundes und findet ihn auf dem Boden in seinem eigenen Blut liegend - ermordet. Cath muss den Mörder finden - und vermeiden, für dieses Verbrechen und wegen der anderen Anschuldigungen selbst verhaftet zu werden.
Im Zug befindet sich eine bunte Mischung der Nationalitäten und Gesellschaftsschichten: ein russischer Aristokrat, eine österreichische Musikerin, ein französischer Ingenieur, serbische Revolutionäre, ein deutscher Industrieller und noch viele mehr. Was keiner von ihnen ahnt ist, dass dies tatsächlich der „Letzte Express“ sein wird, denn es ist Juli 1914. In ein paar Tagen wird der erste Weltkrieg ausbrechen, und der Orientexpress wird für beinahe zwanzig Jahre nicht mehr fahren...
Persönliche und politische Intrigen auf historischem Hintergrund und an einem solch historischen und „natürlich begrenzten“ Ort wie dem Orientexpress schreit natürlich förmlich nach einem Spiel im Stil von z.B. The Case of the Cautious Condor. The Last Express hat so ziemlich das gleiche Spielprinzip, nur noch eine Stufe interaktiver: Man kann sich völlig frei in einer 3D-Ansicht durch den Zug bewegen. Alle anderen Personen laufen auch herum, sie „springen“ nicht von Ort zu Ort. Was man zu tun hat, kommt bekannt vor: Treffen beobachten, Gespräche belauschen, Räume durchsuchen.
Die starke Seite des Spiels sind die verschiedenen Plots, denen man folgt. Verschiedene Leute haben natürlich verschiedene Probleme und Pläne. Ihnen sind verschiedene Sachen wichtig. Hatte diese Andeutung, die die junge Dame dort drüben fallengelassen hat, jetzt etwas mit dieser mysteriösen afrikanischen „Exzellenz“ zu tun, oder hat sie von etwas völlig anderem gesprochen?
Was es zusätzlich glänzen lässt ist die cineastische Qualität. Der Aufbau der Szenen, die Schnitte, die Musik, es passt alles perfekt zusammen. Die Hintergründe sind gerenderte 3D-Modelle. Für die Charaktere würden richtige Schauspieler aufgenommen, und dann „stilisch“ übergepinselt. Ungebildete Zeitgenossen werden sofort auf „Comicstil“ kommen, aber Bildungsbürger erkennen natürlich an den klaren Linien und dem vollkommenen Verzicht auf Schattierungen den Jugendstil. Ein Spiel, das in einer historischen Epoche spielt, so aussehen zu lassen, wie ein Kunststil dieser Zeit ist etwas, das man leider nur selten sieht!
Aller Dialog ist natürlich vollständig vertont. Aus Gründen der Authentizität hört man eine Menge verschiedener Sprachen. Je nach dem, ob das eigene Alter Ego diese Sprache versteht, bekommt man Untertitel in der eigenen Sprache (Englisch, Französisch oder Deutsch) oder eben nicht. Gut zu wissen, dass es Leute gibt, die es albern finden, dass eine französische Familie sich untereinander auf Englisch unterhält. Seltsam wird es nur bei den Gesprächen mit dem Zugpersonal: Die sprechen alle Französisch, Cath antwortet auf Englisch (in der deutschen Version natürlich auf Deutsch...).
Was The Last Express nicht ist, ist ein Adventure mit objektbasierten Rätseln. Wer es dafür hassen will, dem sei das gegönnt. Wer es deswegen runtermachen will, dem sei gesagt, dass das unfair ist - ihr verurteilt das Genre der „Mysteryadventures“, nicht dieses Spiel. Dieses Spiel hat alle Interaktivität, die man sich wünschen kann, trotz seines cineastischen Ansatzes. Es ist spannend, es ist dramatisch, es ist witzig - was will man mehr?
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