Für uns Europäer ist American Football doch sowieso nur ein großes Schlachtfest. Wenn wir also Brutal Sports Football spielen, merken wir kaum einen Unterschied zu dem, was in der sogenannten NFL geboten wird. Wen kümmert es schon, wenn zusätzlich noch ein bisschen mit Waffen rumgefuchtelt wird? Machen diese Anzüge nicht sowieso schon aus den Spielern lebende Waffen (dramatische Pause…)?
Wenn das selbe allerdings mit unserem geliebten Fußball (den die ignoranten „Amerikaner“ ja „Soccer“ nennen) gemacht wird, ist es natürlich ganz was anderes! Gegnerische Spieler umbringen? Ihre Köpfe mit Gewehren abschießen? Und das schlimmste Sakrileg: kein Abseits??? Wie konnten sie nur!?
Objektiv gesehen ist Wild Cup Soccer dem Fußball in etwa so ähnlich wie Brutal Sports Football dem Football. Was logisch ist, da es sich hierbei im einen offiziellen Nachfolger des Sportspiel-Klassikers handelt.
Eine Wikingermannschaft tritt gegen sieben andere an, die sich aus anthropomorphen Tieren (Nashörnern, Affen, Echsen…) zusammensetzen. So zumindest die Ausgangssituation der Liga, des Pokals oder welchem Wettbewerb man sich auch immer verschreibt. Um die Begegnungen strickt Wild Cup Soccer ein neue Ebene des Teammanagements. Dessen Transfermarkt mischt die anfangs einheitlichen Aufstellungen der Team schnell durch.
Abgesehen vom Spielerhandel kann das durch Toreschießen und den Mord an gegnerischen Spielern gewonnene Preisgeld in Waffen investiert werden. Von Schwertern bis hin zu Schrotflinten und Raketenwerfern ist alles vorhanden. Selbst die Formation auf dem Platz kann nach eigenen Vorlieben verändert oder der Taktik des Gegners angepasst werden.
Auf dem Platz macht all das dann aber keinen spürbaren Unterschied mehr. Leider ist das Kernspielprinzip ziemlich in die Hose gegangen. Bei Fußballspielen allgemein ist es eigentlich immer ein schlechtes Zeichen, wenn das Dribbeln eine erfolgversprechendere Taktik darstellt als das Passen. Die isometrische Perspektive, der mangelnde Überblick, die beschränkten Bewegungsmöglichkeiten sowie das unvorhersehbare Verhalten der eigenen Mitspieler machen geplante Spielzüge unmöglich.
Doch so richtig braucht man die ohnehin nicht. Die computergesteuerten Mannschaften stellen keinerlei Herausforderung dar. Es gelingt ihnen praktisch niemals, die automatisch gesteuerten Torwarte zu überwinden. Wohingegen auf der anderen Seite des Spielfelds die menschlichen Spieler sie einfach umhauen und praktisch ungehindert Tor an Tor reihen können. Sollte sich der Ball doch mal zu einem Gegenspieler verirren, ist das Tackling ebenfalls trivial, da dessen Richtung automatisch gewählt wird.
Diese automatische Spielerunterstützung wird stellenweise geradezu lästig. Hat man den Ball nicht, wird selbst die Laufrichtung vom Spiel bestimmt, anstatt den Spieler steuern zu lassen. Wäre dies ein ernsthaftes Sportspiel, wäre damit eigentlich alles gesagt.
Doch das ist es natürlich überhaupt nicht. Der grafische Perspektivwechsel und seine negativen Auswirkungen auf die Spielbarkeit mal zur Seite gestellt, ist Wild Cup Soccer sogar ein ziemlich gutaussehendes Spiel. Zumindest auf Standbildern. Die Farbpalette ist bestens ausgereizt, die Sprites richtiggehend schön. Unterschiedliche Spieler zu erwerben zahlt sich sogar auf dem Spielfeld optisch aus. Solche Kleinigkeiten helfen ungemein. Ja, ich meine dich, Speedball 2 und Konsorten! In Bewegung sind die Animationen leider sehr abgehackt, das Scrolling ruckelig, und somit geht die attraktive Optik dahin.
Zu all dem kommen auch noch eine Reihe wirklich seltsamer Bugs. Manchmal wird das falsche Team einfach zum Sieger erklärt. Beispielsweise, wenn eine Mannschaft von vornherein mit zu wenigen Spielern antritt. Die Laufgeschwindigkeit verändert sich signifikant mit der Richtung, in die man sich wendet. Spielersprites fangen plötzlich zu flackern an.
Solcherlei Beobachtungen zementieren den Eindruck eines unfertigen, überhastet auf den Markt gebrachten Spiels. Wohl um noch die Fußballweltmeisterschaft '94 mitzunehmen, was? Bugs können schon vorkommen, aber ein Spiel zu verkaufen, in dem man gegen den Computer praktisch keine Partie verlieren kann, ist unentschuldbar. Die Spielbalance ist fundamental kaputt. Nach nur wenigen Partien (alle natürlich gewonnen) ist die Mannschaft des Spielers mit den besten auf allen Positionen ausgestattet und voll bewaffnet. Oder auch nicht, wenn man sich die Zeit sparen möchte, denn notwendig ist das ja doch nicht. Gleichermaßen sollte man wirklich die Dinge neu überdenken, wenn man dem Spieler in mehreren Situationen die Kontrolle entreißen muss, um über konzeptuelle Abgründe hinwegzutäuschen.
Spielt man gegen einen anderen Menschen, ist die inkompetente künstliche Intelligenz immerhin gleichgültig. Doch damit werden dann Transfermarkt und sämtliche andere Neuerungen abgeschaltet. Ausschließlich einzelne Feindschaftsspiele können mit vorgefertigten Teams gegeneinander ausgetragen werden. Und dann ist das Gewinnen keine Sache des Können, sondern des Glücks in diesem völlig chaotischen Grätschzirkus.
Nach diesem Desaster ist es kein Wunder, dass die Brutal-Sports-Reihe hiermit endete.
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