Der Nachfolger zu einem der meistgeliebten Amigaspiele wurde bereits Anfang 1995 angekündigt. Danach zogen allerdings noch zwei weitere Jahre ins Land vor der tatsächlichen Veröffentlichung. Es regnete Topwertungen in den verbliebenen Fachzeitschriften. Kaum überraschend, denn Ende 1996/Anfang 1997 waren die wenigen Amigauser ausgehungert und stürzten sich willens auf so ziemlich alles… wenn noch ein klangvoller Name daranhing, desto besser, oder? Wobei die Zeichen einer übereilten Veröffentlichung ohne den letzten Feinschliff schon deutlich waren und sind.
Chaos Engine 2 stellt das Spielprinzip seines Vorgängers auf den Kopf. Die völlig unverständliche Hintergrundgeschichte erzählt irgendwie davon, dass nach der Zerstörung der Maschine im ersten Teil die zwei Söldner nun entweder in der Zeit zurückreisen oder in der Maschine gefangen sind, die andererseits auch irgendwie beschädigt ist, da der Baron sie wohl irgendwie wieder zusammenflicken muss… Jeder Versuch, einen kohärenten Sinn in den drei Absätzen der Anleitung zu entdecken, ist zum Scheitern verurteilt. Auf jeden Fall ist das alles mehr oder weniger Vorwand dafür, zwei Spieler (von denen einer vom Computer übernommen werden kann) aufeinander loszulassen.
Der Baron persönlich erklärt den Weg durch die Levels. Meist müssen unterwegs Maschinenteile eingesammelt, Schalter umgelegt und Schlüssel verwendet werden. Für solcherlei Aktionen, sowie dem Niederballern von Monstern oder dem anderen Spieler, vergibt der Baron am Ende jeden Levels Punkte. Es gewinnt damit nicht etwa notwendigerweise derjenige, der es zuerst zum Ausgang schafft. Die Levels sind kurz und actionreich. Wenige Minuten sitzt man maximal an einem. Dadurch wirken sich die eher unklaren Missionsbeschreibungen nicht so schlimm aus und es stellt außerdem sicher, dass die Konkurrenten in gegenseitig erreichbarer Nähe zueinander bleiben, was den Duellcharakter verstärkt.
Dass man den anderen Spieler abschießen und schlagen kann, betont den Wettbewerbsgedanken. Leben verliert man dadurch zwar nicht, doch wenn die Energie auf Null fällt, bricht man für ein paar Sekunden zusammen, bevor man wieder aufsteht. Genug Zeit für den Gegner, wertvolle Gegenstände zu stibitzen. Der Eindruck der ständig fließenden Action wird darüber hinaus durch ein paar neue Aktionsmöglichkeiten verstärkt. So kann man beispielsweise von Plateaus hinabspringen oder an Wänden Schutz suchen. Letzteres ist gelinde gesagt ziemlich nutzlos, sieht aber echt cool aus.
Als Spielkonzept wirkt dies Alles in Allem recht durchdacht. Die offensichtliche Taktik, einfach am Levelausgang zu warten, während der Konkurrent die Drecksarbeit erledigt, und ihn dann dort hinterrücks zu überfallen, den Schlüssel zu schnappen und als erster zu entkommen, wird effektiv verhindert. Anfangs mag man derart noch durchkommen, aber die Punktzahlen bleiben damit niedrig und somit bekommt man nur geringe Möglichkeiten zur Verbesserung der Spielfigur und ihrer Ausrüstung. Wer sich vor Herausforderungen drückt, steht in späteren Leveln ganz schön nackt da. Abgesehen von den direkten Zwischenaufgaben muss auch noch die begrenzte Munition immer wieder schön aufgefüllt werden. Zwar gibt es in jedem Level unbegrenzt viel auszusammeln, aber nur an bestimmten Plätzen, und ein solcher Umweg ist nur selten angebracht. Doch jenseits all dieser konzeptuellen Überlegungen zeigt Chaos Engine 2 leider drei große Schwächen.
Erstens mangelt es an Spielbalance. Die recht hektische Action lässt kaum Raum für eine Entscheidung des Duells auf Basis von Können. Alles geschieht derart schnell, dass leider Glück der bestimmende Erfolgsfaktor ist. Nimmt man die richtige Abzweigung (natürlich ohne wirklich sinnvolle Übersichtskarte)? Vermeidet man Überfälle durch Monster auf dem sehr klein geratenen Splitscreen? Nur vier der ursprünglichen sechs Charaktere sind übrig und sie unterscheiden sich merklich, allerdings ist die klar wichtigste Eigenschaft nicht etwas Stärke oder Feuerkraft, sondern Schnelligkeit.
Zweitens fehlt die Kohärenz. Diesbezüglich muss man nicht einmal zum wirren Plot schauen. Wozu diese Bosskämpfe im Einzelspielermodus? Die sehen gut aus, klar, aber spielerisch bieten sie nichts über die üblichen Ballerspielbosse hinaus: irgendwo haben sie eine offensichtliche Schwäche in ihren Bewegungs- und Angriffsmustern, die es zu finden und auszunutzen gilt.
Drittens hat die Produktionsqualität seit dem ersten Teil gelitten. Grafikbausteine wurden zwar weiterverwendet (teilweise neu angepinselt; so sind die Riesenhände beispielsweise jetzt blau…), aber die durchdachte Zusammenstellung, die den Vorgänger noch so besonders machte, ist nicht sichtbar. Seltsame Farbgebung, vollständig vergessenswerte Dudelmusik und spärliche Soundeffekte bilden einen Gesamteindruck, der sich kilometerweit unter dem diesbezüglich geradezu genialen Vorgänger befindet. Selbst auf der technischen Metaebene hinterlassen die endlosen Ladezeiten einen schlechten Eindruck – spielt man von Disketten, übersteigen sie die effektive Spielzeit!
Alles in Allem hat also wohl der Fluch des Todes des kommerziellen Amigas zugeschlagen. Das Spiel wirkt unfertig, es riecht unangenehm nach Prototyp. Der Versuch, einen Nachfolger zu produzieren, der nicht einfach nur den Vorgänger wiederholt, ist wertzuschätzen. Doch angesichts des schwindenden Marktes musste das Spiel wohl raus und der Aufwand, es konzeptuell wirklich zum Funktionieren zu bringen, wäre zu groß gewesen. Es bleibt also die Idee eines Zweispielerduells, mit schneller Action, aber implementiert nur bis zum Status eines Grobentwurfs. Voller Levels, die per Baukasten zusammengesetzt keinen großen Qualitätsanforderungen genügen und wenig Abwechslung bieten. Das Spiel ist nicht schrecklich, aber bei diesem Namen hatte man wirklich mehr erwartet.
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