Defender of the Crown war sozusagen die Killerapplikation des Amigas. Hinter der schönen Fassade steckte ehrlich gesagt jedoch kein gutes Spiel. Wenige Jahre später war die zugrundeliegende Cinemaware-Formel, ein paar simple Minispielchen mit einem möglichst abenteuerlichen Setting zusammenzustricken, den mittlerweile erfahreneren Spielern viel durchschaubarer geworden. Die neueren Spiele der Firma stießen dadurch auf immer weniger Interesse. Gerade zu diesem Zeitpunkt brachte sie dann eine Art Remake ihres ersten großen Erfolgs heraus: Lords of the Rising Sun. Doch immerhin hatten sie konzeptuell nachgebessert.
Mehrere Clans kämpfen in einem Bürgerkrieg um die Macht über Japan. Zwei davon können vom Spieler gewählt werden. Die zugehörigen Daimyos sollen angeblich leicht unterschiedliche Fähigkeiten besitzen, wodurch man Vorteile in der einen oder anderen Sequenz haben soll, doch der Hauptunterschied liegt tatsächlich in der strategischen Anfangsposition auf der Landkarte.
Wie von Cinemaware gewohnt ist diese Karte (auf der man die meiste Spielzeit verbringt) sehr schön anzusehen. Nicht nur das, sondern sie vermittelt auch intuitiv einige Information. Armeen tragen die Flagge ihres Herren sichtbar bei sich. Städte, Klöster und andere Siedlungen sind direkt als solche identifizierbar und ebenso bezüglich ihrer Loyalitäten zuzuordnen. Die Größe, Zusammensetzung und Stärke einer Armee muss dagegen in einem separaten Pop-Up nachgeschlagen werden. Das Reiseziel der Armeen, wenn sie auf Straßen oder per Schiff unterwegs sind, kann sogar überhaupt nicht geprüft werden, selbst bei den eigenen Einheiten. Perfekt ist es also nicht, aber ein guter Anfang.
Doch eine schöne Landkarte hatte Defender of the Crown auch, spielerisch half das nicht viel. Lords of the Rising Sun liegt zum Glück ein deutlich solideres strategisches Modell zu Grunde. Simpel bleibt es zwar, dass das Spiel jedoch – damals noch sehr ungewöhnlich – in Echtzeit abläuft (ein bereits für das ältere Spiel geplantes, aber in letzter Minute verworfenes Feature), stellte es für die Spieler doch eine gute Herausforderung dar, immer den Gesamtüberblick zu behalten.
Heutzutage ist man solcherlei Spielgeschehen natürlich gewohnt, doch Lords of the Rising Sun bleibt trotzdem strategisch ausreichend fordernd. So ist beispielsweise eine Bewegung über Gebirge oder durch Wälder nicht möglich. Straßen definieren die Bewegungsrichtungen, ermöglichen stellenweise Querverbindungen, aber anderweitig auch Engpässe. Bevor man also beispielsweise eine Armee auf die endlose westliche Route schickt, sollte man sich das gut überlegen, denn diese ist dann erstmal lange nicht anderswo verfügbar.
Abgesehen von militärischen stehen auch diplomatische Mittel zur Verfügung, neutrale Städte auf seine Seite zu ziehen. Beim Militär beginnt dann allerdings die cinemawaretypischen Einbindung der Actionszenen. Das Zusammentreffen zweier verfeindeter Armeen wird in einer kleinen Echtzeittaktikschlacht, in der man seine Bogenschützen, Infanterie usw. direkt befehligt, entschieden. Große taktische Finesse ist dabei mangels Platz nicht wirklich möglich, so dass man diese Sequenz wohl eher als Gimmick betrachten muss.
Die anderen Actionsequenzen spielen sich besser, schlagen aber inhaltlich in ähnliche Kerben. Die Erstürmung einer Stadt erlebt man beispielsweise aus der Vogelperspektive mit winzigen Figürchen, was visuell nicht so eindrucksvoll sein mag wie die Fechtszene aus Defender of the Crown, aber sich immerhin besser spielt. Die äquivalente Szene aus Verteidigersicht spielt sich dann sogar völlig unterschiedlich, man schießt Angreifer mit seinem Bogen aus einem halbwegs sicheren Turm ab.
Drittens gesellen sich noch ein ein paar Sequenzen dazu, die sich logisch aus dem Spielverlauf ergeben und sogar der strategischen Tiefe dienen. Der Ninjaangriff mag spielerisch kein Highlight sein, aber immerhin kann dadurch eine unterlegene Partei potentiell einen deutlich überlegenen Feind ausschalten. Ähnlich gelagert ist die Verfolgung eines flüchtenden Generals, das darüber entscheidet, ob seine geschlagene Armee noch davonkommt oder komplett ausgelöscht wird.
Dass das Spiel super aussieht und klingt, versteht sich von selbst. Wie erwartet haben die Designer die Hollywoodclichés des japanischen Mittelalters gut eingefangen, sowohl grafisch, als auch in den Textpassagen voller blumiger Sprache. Der Adventureteil, der sich sonst häufig bei Cinemaware findet, fehlt dagegen weitgehend. Es treten keine individuell personifizierten Charaktere auf. Stattdessen erwartet die Spieler eines ihrer am besten designten Spiele, das endlich mal auf einem soliden Fundament aufbaut. Denkt man sich das schöne Äußere und die Action weg, bleibt immer noch ein spielenswertes Strategiespiel. Klar, nicht das beste aller Zeiten, aber die Nagelprobe gelingt.
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