Wann wird einem das Jump'n'Run-Genre eigentlich langweilig? Schließlich wurde es bereits in den 80er Jahren so ziemlich perfektioniert. Wie können Neuankömmlinge sich da noch abheben? Thema und Stil können helfen. Oder natürlich ein spielerisches Gimmick. Soccer Kid, ursprünglich unter dem viel trefferenden Namen Football Kid entwickelt, schlägt sich diesbezüglich gut.
Krisalis brachte das Spiel im Herbst 1993 heraus, womit sie eventuell etwas zu früh dran waren, da die Fußballweltmeisterschaft noch 8 Monate in der Zukunft lag. Also vor dem weltweiten Enthusiasmus. Doch angesichts des Plots (ja, es gibt eine Handlung!) passte es wieder: Die zerbrochenen und in der Welt verstreuten Teile des Weltmeisterschaftspokals müssen wiedergefunden und vor einem bösen Comedy-Alien gerettet werden.
Ein scheinbar unwichtiges, aber lustiges Feature erwartet einen direkt nach dem Start: die Wahl der Trikotfarben. Einfach programmiert, großer Effekt! Überhaupt ist die Spielfigur ein Volltreffer. Gut animiert, ausdrucksstarker Riesenkopf – dem schaut man gerne das ganze Spiel zu.
Auch das grafische Leveldesign zeigt sich abwechslungsreich. Man beginnt seine Reise in England, dann verschlägt es Soccer Kid nach Italien, Russland, Japan und schließlich in die USA. Die höchst clichébeladenen Cartoonrepräsentationen der Länder sind allseits schön anzusehen, selbst wenn thematisch gesehen nicht jedes Land direkt nachvollziehbar ist. England und Italien sind und waren natürlich führende Fußballnationen und die USA waren immerhin Gastgeber der bevorstehenden Weltmeisterschaft aber wie kommt man bitte auf Russland und Japan? Warum nicht Brasilien, Argentinien oder der damalige Weltmeister Deutschland?
Spielerisch wird dieser Anspruch von Abwechslung allerdings nicht eingehalten. Die prinzipiellen Elemente bleiben jeweils die gleichen. Ob man über ein russisches Schlachtschiff hüpft oder einen japanischen Hochgeschwindigkeitszug rennt, sich durch das ländliche England oder die amerikanische Wüste grätscht, macht was die effektiven Hindernisse angeht keinen entscheidenden Unterschied. Selbst ein italienischer Kellner und ein Ureinwohner mit Tomahawk verhalten sich verdächtig identisch – doch die großen, schön gestalteten Sprites lassen den Spieler das dann doch schnell verzeihen. Immerhin die Landesendgegner haben jeweils ihr ganz eigenes Verhalten.
Und dann ist da eben noch, jenseits des optischen Stils, das Gimmick. Soccer Kid hüpft und rennt nicht nur, sondern vollführt Ballkunststücke. Man springt nicht den Gegnern auf die Köpfe, sondern man entledigt sich ihrer mit gezielten Balltreffern. Doch auch darüber hinaus ist der Ball von Bedeutung, um beispielsweise Gegenstände an ansonsten unzugänglichen Plätzen aufzusammeln.
Das Repertoire umfasst diverse verschiedene Schüsse und akrobatische Tricks, die allesamt von der durchdachten Steuerung gut ausführbar gemacht werden. Die komplexeren erfordern angemessene Geschicklichkeit und Timing. Die Höhe der Schüsse zu variieren, was praktisch permanent notwendig zum Weiterkommen ist, ist also einfach. Ein Fallrückzieher dagegen gelingt nicht immer (ganz wie im echten Leben…), aber streng genommen braucht man ihn auch niemals. Wenn man nicht gerade auf Bonuspunkte aus ist.
Apropos Bonus, man kann die Levels zwar allesamt durchspielen, ohne jemals nach oben oder unten zu schauen. Doch versteckte Extras sind zum Gewinnen trotzdem notwendig, denn nur mit einem vollständigen Sammelkartenset erhält man die Gelegenheit, ein Pokalstück zu erlangen. Der diesbezüglich Bonuslevel ist leider recht einfallslos gestaltet, aber davon abgesehen ein gutes Konzept, die Spieler zum Erforschen anzuhalten.
Die gute Grafik und die Alles in Allem faire Levelgestaltung machen Soccer Kid zu einem der wenigen Jump'n'Runs, die ich relativ regelmäßig immer mal wieder anwerfe. Einfach nur, um ein bisschen mit dem Ball zu spielen. Ohne den Anspruch, möglichst wenige davon zu verbrauchen. Ohne den Anspruch, systematisch die Sammelkarten zu bekommen. Einfach nur, um die schönen Welten anzuschauen. Selbst wenn ich dann früher oder später scheitere (meist früher), entsteht dabei kein Frust. Es ist einfach ein allseits liebenswertes Spiel.
Kommentare (1) [Kommentar schreiben]