The Child Murderer
für Amiga

Mr Creosote:Besucherwertung:
2/6
Firma: Michael Zerbo
Jahr: 1994
Genre: Adventure
Thema: Krimi / Polizei & Verbrecher / Textbasiert
Sprache: English
Lizenz: Freeware
Aufrufe: 14069
Rezension von Mr Creosote (07.02.2009)
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Michael Zerbo ist einer der berüchtigsten Autoren von Textadventures „für Erwachsene“ (wegen Gewalt, nicht Sex). Seine Spiele beschäftigen sich meist mit grausamen Themen und die Aktionen, die vom Spieler verlangt werden, um das Spiel zu lösen, sind häufig ebenso grausam. Die klassische Zielgruppe verschreckte er, indem er Befehle wie „USE“ einbaute (eine Todsünde in der Szene), und doch übertrafen die Downloadraten seiner Spiele diejenigen „anerkannter“ Autoren manchmal um mehrere Größenordnungen. Teilweise veröffentlichte er seine Spiele sogar als Shareware, versuchte also seine „Beliebtheit“ in Geld umzusetzen (Genaueres hierzu im letzten Absatz).

The Child Murderer ist ein Paradebeispiel für Zerbos „Qualitäten“. Es handelt sich dabei um eines der früheren Sharewarespielen (aber die Vollversion ist mittlerweile zum kostenlosen Kopieren freigegeben), und handelt von einem Typen (dem Spieler), dessen Plan, die Tochter seines früheren Arbeitgebers zu entführen und Lösegeld zu verlangen, sehr, sehr schiefgeht. Der Komplize bringt das Mädchen um und legt den toten Körper direkt am Fußende des Bettes des Protagonisten ab. Als offensichtlich Hauptverdächtiger muss man nun schnellstens fliehen und sich natürlich (?) auch noch an dem unfähigen Ex-Komplizen rächen.

Wenn man es so zusammenfasst, hört es sich sogar nach einer recht brauchbaren Geschichte an - wobei allerdings die Umsetzung zu wünschen übrig lässt. Alles bleibt dermaßen oberflächlig, dass der Spieler überhaupt nicht in die Geschehnisse einbezogen wird. Es gibt keine Charaktere, keine Motivation - einfach nichts, und das, obwohl ein solcher Plot nach schwerstem Drama verlangt. Einfaches Beispiel für diese Oberflächlichkeit: Das Spiel soll im viktorianischen Englang spielen, aber das hat keinerlei Funktion. Es hätte genausogut im Mittelalter oder in der Gegenwart spielen können, ohne, dass jegliche Änderungen nötig gewesen wären.

Die gleiche Oberflächlichkeit plagt auch das Spiel selbst. Die Rätsel und die damit verbundenen Aktionen sind größtenteils völlig unmotiviert, recht simpel und teilweise dermaßen lächerlich, dass das Spiel jegliche innere Glaubwürdigkeit verliert - egal, wie stark der Spieler sich auch bemüht, das noch zu akzeptieren (die Zeitungen - ihr werdet es wissen, wenn ihr es spielt).

Die seltsame Mischung aus grafischer- und Textoberfläche hilft ebenfalls nicht. Viele Orte werden grafisch dargestellt, und eigentlich sollte man denken, dass sich das gar nicht nachteilig auswirken kann. Allerdings sind die Bilder ins Spielprinzip mit eingebunden, und im Gegenzug sind die verbalen Raumbeschreibungen völlig nutzlos. Objekte, die im Text erwähnt werden, können fast nie angesprochen werden, aber einige Objekte, die man auf den Bildern sieht (die aber nicht erwähnt werden) dagegen schon.

Der Autor empfiehlt sogar, das Spiel überhaupt nicht als Textadventure zu spielen. Anstatt „GET OBJECT“ einzutippen, soll man nur „G“ drücken und auf das Objekt, dass man aufheben möchte, mit der Maus klicken. Gleichfalls darf man niemals mehr als ein Objekt auf einmal in Befehlen referenzieren, und muss dies auch nie. Für Kombinationen öffnet man per „I“ den Inventarbildschirm und wählt dort „USE“ aus, und schon wird automatisch dasjenige Objekt ausgewählt, das der Autor für sinnvoll erachtet.

Ehrlich gesagt sollte man dieser Empfehlung folgen, denn dadurch hat man schnelle Erfolgserlebnisse und daneben irgendwas ausprobieren kann man ohnehin nicht. Die gesamte Spielwelt wirkt völlig tot und leer. Nur Objekte und Charaktere, die absolut benötigt werden, sind überhaupt zu sehen. Ansonsten gähnende Leere. Also bewegt man sich zwischen den wenigen Ortschaften, drückt immer wieder „L“, „T“ und „G“ und so kommt man leicht durch 90% des Spiels. Wobei auch die restlichen 10% im Endeffekt flach und unkompliziert sind. Nur die manchmal eintretenden plötzlichen und völlig unvorhersehbaren Tode sowie eine klassische Sackgasse am zweiten Tag des Spiels, wenn man am ersten Tag ein Objekt nicht mitgenommen hat, auf die das Spiel einen aber nicht hinweist, halten ein wenig auf.

Sich gute, vertrackte Rätsel zu überlegen, ist natürlich Schwerstarbeit, und es wäre auch durchaus in Ordnung, hätte das Spiel ausschließlich eine gute Geschichte und kaum Spielinhalt. Doch auch das ist wie gesagt nicht der Fall: Ödes Tempo mit Blut-Spritz-Szenen, die ohne Sinn und Verstand wahllos auftauchen - anscheinend nur, um den Spieler zu schockieren.

Letztendlich ist dies ein Spiel ohne Zielgruppe. Wie erwähnt lässt sich die klassische Klientel nicht mit dermaßen flachem Inhalt locken. Fans klassischer viktorianischer Krimis (auch wenn dies ja eigentlich kein Krimi, sondern eher ein „Thriller“ ist) bietet das Spiel ebenso nichts. Kinder, die auf spritzendes Blut stehen, werden vom „antiquierten“ Spielprinzip abgeschreckt. Trotz bereits einiger Jahre Erfahrung im Spieldesign liefert Zerbo hier immer noch nur eine grobe Idee ab, ohne diese ernsthaft auszuarbeiten oder etwas darauf aufzubauen. The Child Murderer wirkt einfach nicht wie ein fertiges Spiel.

Technisches: Grundlage dieses Tests ist die AGA-Version (einen entscheidenen grafischen Unterschied gibt es jedoch nicht). Das Spiel läuft von Festplatten, muss allerdings in DH0:CM1 liegen. Andere Laufwerke und Verzeichnisse funktionieren nicht. Die Diskettenversion besteht aus drei Archiven, deren Inhalte jeweils auf eine Diskette kopiert werden müssen.

Informationen zur Veröffentlichung: Michael Zerbo war so nett, uns zu schreiben, und einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Spiels zu geben (vielen Dank!). Es sollte von einer Firma namens „Sir Rah“ unter dem Namen „Betrayed“ veröffentlicht werden (eine Anzeige, die in der Zeitschrift „Amiga News“ (Volume 2, No. 1, Januar 1993) veröffentlicht wurde, findet sich unter den Dokumenten), jedoch ging sie pleite, bevor das Spiel komplett fertiggestellt war. Eigentlich sollte es ein komplettes Point & Click - Interface bekommen. Diese Version wurde dann stattdessen auf Aminet veröffentlicht. Das erklärt sicherlich einige der vorher kritisierten Punkte. Eine leicht überarbeitete Version für MS-Windows gibt es unter http://www.freewebs.com/nameless/ (der Titel dieser ist 'The Murderer').

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