Midwinter
für Amiga (OCS/ECS)

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Mr Creosote:
Firma: Maelstrom / Rainbird
Jahr: 1990
Genre: Strategie, Action
Thema: Apokalypse / Fahren / Fliegen / Polizei & Verbrecher / Krieg
Sprache: English, Deutsch, Français
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 34475
Rezension von Mr Creosote (26.09.2009)
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Nur sehr wenige der Spiele, denen die Bezeichnung „Epos“ verpasst wird, verdienen diese auch. Üblicherweise gehen solche Spiele zwar in die Breite, aber nicht in die Tiefe, d.h. sie bieten sehr viel... vom Gleichen. Beispielsweise könnte ein solches Spiel sehr viele Levels haben, die aber bei genauerer Betrachtung alle die gleichen, wenigen Strategien und Aktivitäten benötigen.

Mike Singleton ist einer der wenigen Spieledesigner, der versuchte, aus den engen Schranken der üblichen Genredefinitionen und der vorgefertigten Spielererwartungen auszubrechen, und dabei schuf er welche der seltenen wirklich „epischen“ Spiele. Bestes Beispiel hierfür ist natürlich Lords of Midnight, jüngeren Spieler dürfte jedoch eher Midwinter bekannt sein.

Storytechnisch ist das Spiel in der Zukunft angesiedelt. Auf einer permanent von Eis und Schnee bedeckten Insel versucht der böse Diktator General Masters die Macht an sich zu reißen, und es sieht für seine Ziele gut aus: Ordnung auf der Insel wird nur durch ein paar verstreute Polizisten aufrecht erhalten und Masters' Streitkräfte sind zahlenmäßig in der deutlichen Übermacht - auch, was ihre Ausrüstung angeht.

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Stark unterwegs auf Skiern

Das Alter Ego des Spielers, der Polizist Stark, nimmt die Organisation des Widerstands gegen Masters, der sein Hauptquartier im Südosten der Insel errichtet hat, in die Hand. Diverse Siedlungen wurden bereits überrannt. Stark ist am Anfang des Spiels auf seinen Skiern unterwegs und ganz alleine. Seine Kollegen (und auch diverse Zivilisten von zentraler Bedeutung) sind über die ganze Insel verteilt. Einige befinden sich sogar schon in feindlichen Händen.

Insgesamt gibt es 32 Charaktere, die im Laufe des Spiels rekrutiert werden können. Das geschieht dadurch, dass man diese Personen an ihren Standorten aufsucht und mit ihnen spricht. Hier kommen Rollenspielelemente ins Spiel, da jede Person einen eigenen Charakter hat. Manche Personen sind von Natur aus misstrauisch und schließen sich dem Widerstand nicht ohne Weiteres an - nur, wenn bestimmte andere Personen, denen sie vertrauen, sie darum bitten. Oder auch andersherum: Manche Personen machen mit, wenn sie nicht gerade von ihrem ärgsten persönlichen Feind angesprochen werden.

Sobald ein Charakter einmal überzeugt ist, kann er oder sie genauso direkt gesteuert werden wie Stark. Und dadurch wird die Sache dann etwas komplizierter. Oberflächlich betrachtet läuft das Spiel in „Echtzeit“, aber man kann nicht mehr als einen Charakter gleichzeitig steuern. Alle anderen wären also so lange einfache Beute.

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Weiter geht's per Schneebuggy

Deshalb verhält sich Midwinter anders: Alle zwei Stunden müssen die vom Spieler kontrollierten Charaktere ihre Uhren abgleichen. Innerhalb dieser zwei Stunden kann der Spieler sie jeweils so einsetzen, wie er möchte - wobei jeder Charakter seine eigene „Zeit“ hat. Das bedeutet, dass der Spieler zuerst beispielsweise den Zeitraum von 8 bis 10 Uhr mit einem Charakter spielen, und dann die gleichen Stunden mit einem anderen nochmal erleben kann. So dass man eigentlich von einem gut getarnten rundenbasierten System sprechen kann.

Eine typische „Aktionsrunde“ besteht aus Fortbewegung (auf Skiern, in Schneemobilen (die in manchen Siedlungen mitgenommen werden können), in Seilbahnen, die nur automatisch bestimmte Routen abfahren, oder man kann sich im Drachenfliegen versuchen), Treffen und Kämpfen mit feindlichen Einheiten und dem Besuch von Siedlungen. Letztere bestehen aus verschiedenen Gebäuden, wie z.B. normalen Häusern, Polizeiwachen, Wärmeminen oder Fabriken. Je nach dem, was man für Einrichtungen vorfindet, kann man sich ausruhen, Essen oder die eigene Ausrüstung verbessern.

Einige Siedlungen sind auch unter feindlicher Kontrolle. Dort beginnt dann der wahre Guerillakrieg: Strategisch wichtige Gebäude wie Lagerhäuser voller Munition oder Benzin können in die Luft gesprengt werden. Auf die gleiche Weise können auch gefangengenommene Polizisten befreit werden - wobei diese auch mit Hilfe von Zivilisten aus den Gefängnissen geschmuggelt werden können.

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Gegnerisches Fahrzeug im Visier

Ähnlich guerillamäßig geht es bei Zusammentreffen mit dem Feind zu. Manchmal werden die eigenen Teammitglieder gejagt und man muss sich verteidigen. Manchmal versucht man selbst, gegnerische Konvoys zu überfallen: Man klettert auf einen Baum oder versteckt sich auf einem Kirchturm, schnappt sich ein Gewehr und zerstört schnell die bewaffneten Fahrzeuge, um anschließend die wehrlosen Transportfahrzeuge zu zerstören.

Die eisige Spielumgebung erlaubt einfache, aber passende dreidimensionale Vektorgrafiken. Der Spieler kann sich frei drehen (nicht nur in den zu der Zeit üblichen Schritten von 90°) und sich auch hoch und runter bewegen (was das Skifahren erst richtig spaßig macht). Der Sound ist dagegen eher zweckmäßig gestaltet. Meist hört man, wenn überhaupt, nur das Dröhnen von Motoren und Schüsse. Die fehlende Musik könnte durchaus eine bewusste Entscheidung im Sinne eines größeren Realismus sein, aber atmosphärisch hätte zumindest ein bisschen pfeifender Wind gut getan.

Midwinter besticht jedoch nicht primär aufgrund seiner multimedialen Qualitäten. Beeindruckend ist vor Allem die absolute Freiheit, die der Spieler hat, seine Mission (Masters zu besiegen) zu erfüllen. Es führen viele Wege zum Ziel, und das sind nicht nur welche, die fest Schritt für Schritt vorgeplant sind, sondern es ist echte Bewegungs- und Entscheidungs- und strategische Freiheit. Und das macht dieses Spiel zu einem wahren Epos!

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