Die Ironie, seine Firma Faster Than Light (FTL) zu nennen, wenn tatsächlich alle seine Produkte mit deutlicher Verspätung herauskommen, ist schon zu offensichtlich. Dass ihr Dungeon Master jedoch ein Kunstwerk war, ist nicht zu bestreiten. Hauptsächlich nicht einmal aufgrund der großen 3D-Blicks in die Welt, oder weil es sich alles in Echtzeit abspielt, sondern wegen wegen dem beinahe makellos durchgezogenen Spieldesign, wirklich alles in dieser gleichen Ansicht zu erledigen, dazu noch mittels eines höchst intuitiven Interfaces. Keine separate Charaktererstellung, kein eigener Kampfbildschirm usw. Alles passte einfach perfekt zusammen.
Kommerziell gesehen machte FTL im Folgenden aber so ziemlich alles falsch. Nicht nur musste man Ewigkeiten auf einen echten Nachfolger des Riesenerfolgs warten, sie übersahen auch völlig, wie sich mit dem IBM PC ein neuer Platzhirsch den Spielemarkt in Riesenschritten übernahm. 1991, immerhin vier Jahre nach Dungeon Master, war das Spiel immer noch nicht auf die neuerdings marktbeherrschende Plattform portiert. Ein Vakuum, das die Konkurrenz nur zu gerne ausnutzte.
Zynisch ausgedrückt hat SSI bei Entwickler Westwood ein Spiel bestellt, das einfach genauso ist, aber so richtig geil aussieht. Westwood, die talentierten Handwerker, lieferten genau das ab. Einen top aussehenden Dungeon-Master-Klon.
Eine Geschichte zu erzählen oder Personen zu entwickeln wird nicht einmal versucht. Das Böse lauert einfach in den Katakomben der Stadt Waterdeep, also muss eine Heldentruppe in den Abwasserkanälen und danach den Höhlen darunter aufräumen. Bis sie schließlich auf den Obermotz treffen, der im untersten Level halt da ist. Tötet man ihn, endet das Spiel in seiner Originalversion höchst unspektakulär. Der Fluch der übereilten Veröffentlichung. Für die Amiga-Umsetzung spendierte man immerhin einen echten Abspann.
Was Spieler in Dungeon Master erlernt haben, können sie hier direkt weiterverwenden. Insbesondere, was den Actionkampf angeht. Die Gegner sind derart definiert, dass sie in direkter Konfrontation der Party schnell den Gar ausmachen. Zuzuschlagen, dann mit einer schnellen Bewegung auszuweichen, ist eine Notwendigkeit, und auf diese Taktik scheinen die Designer den Schwierigkeitsgrad ausbalanciert zu haben. Dazu kommen die Spezialfähigkeiten diverser Monster. Eine Riesenspinne kann man erschlagen, aber idealerweise sollte dies gelingen, bevor sie einen mit ihrem Giftstachel erwischt. Was leider ein reines Glücksspiel ist.
Von den Kämpfen abgesehen liegt die Herausforderung darin, die Irrgärten zu durchschauen. Keine Automap steht einem dabei zur Verfügung, und die Levels sind mit falschen Wänden, unsichtbaren Teleportern, Drehfeldern usw. vollgestopft. All diese typischen Dungeonfeatures, die man entweder liebt oder hasst. Einzige explizite Hilfe ist die Kompassrose am unteren Bildschirmrand, die einen immerhin manchmal entdecken lässt, dass gerade etwas Unvorhergesehenes geschehen ist. Etwas zusätzliche Würze kommt durch normale (sichtbare) Teleporter, Aufzüge und kleine Rätsel zum Öffnen von Türen ins Spiel. Sich nicht zu verlaufen erfordert schon einen sehr achtsamen Spieler.
Aus heutiger Sicht könnten die Sprites schon ein paar zusätzliche Animationsstufen vertragen. Davon abgesehen sieht das Spiel immer noch ziemlich gut aus. Die gepixelten Sprites sind gut gealtert und die Wandtexturen wechseln alle drei Levels. Eine Fanversion erlaubt es, das Spiel auf dem Amiga mit den originalen VGA-Grafiken zu genießen und erlaubt darüber hinaus sogar Automapping. Wie praktisch!
Doch so richtig vom Hocker hauen kann das Spiel heute nicht mehr. Der Name Eye of the Beholder trägt dank dem, was noch folgte, ein großes Versprechen mit sich, das der erste Teil noch nicht einlösen kann. Es ist ein akzeptables Spiel, aber abgesehen von der guten Optik bietet es nichts Besonderes. Sein kommerzieller Erfolg ist zu einem nicht verachtenden Anteil darauf zurückzuführen, zur richtigen Zeit auf dem Markt gewesen zu sein.
Man kann durchaus argumentieren, es sei spielerisch besser als Dungeon Master, insbesondere was die Spielbalance angeht. Doch was das reine Design angeht, ist Einiges doch etwas hölzern geraten. Eben die Charaktergenerierung, das Lernen von Zaubersprüchen, das Ausruhen der Party, was alles über schmucklose Bildschirme geschieht. So oder so, Dungeon Master hat seinen wichtigen Platz in der Spielehistorie sicher. Eye of the Beholder verdient solche Weihen nicht. Es ist eine (gute) Imitation, die nichts Neues bot.
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