Imperialism
für PC (Windows)

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Mr Creosote:Besucherwertung:
6/6
Weitere Titel: Imperialismus
Firma: Frog City / SSI
Jahr: 1997
Genre: Strategie
Thema: Geschäftswelt / Historisch / Multiplayer / Politik / Krieg
Sprache: English, Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 23945
Rezension von Mr Creosote (24.10.2009)
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Europa im 19. Jahrhundert: Die militärischen Supermächte versuchen die Welt zu erobern. Ob es nun zu direkten militärischen Konflikten mit Eroberungshintergrund kommt oder um die Akquisition von „Kolonien“ - eine chaotische Zeit.

In diversen Szenarien (definiert durch ihr Anfangsjahr, was jeweils die historische Ausgangssituation darstellt) oder auf einer zufälligen Karte übernimmt jeder Spieler eines der „relevanten“ (d.h. mächtigen) Länder und versuchen, die absolute Weltherrschaft zu erringen. Dazu muss man bei einer der regelmäßig stattfindenden Konferenzen gewählt werden.

Indirekt führt der Weg dorthin natürlich über territoriale Expansion. Armeen können ausgehoben und in andere Länder geschickt werden, um diese unter die eigene Kontrolle zu bringen. Alternativ können kleinere Staaten auch auf diplomatischem Wege übernommen werden: Erst baut man sehr gute Beziehungen auf und übt dann Druck aus, so dass sie zu Kolonien werden könnten.

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Aufbau eines Transportnetzwerks

Hier zeigt sich eine der seltsamen Designentscheidungen des Spiels: Die kleinen Länder, die Kandidaten zur Kolonisierung oder Eroberung sind, befinden sich nicht etwas in Afrika (was angesichsts der Zeit, in der das Spiel spielt angebracht wäre), sondern in Europa selbst: die Niederlande, Dänemark, Portugal. Zumindest der nördliche Teil Afrikas ist teilweise vorhanden, aber nur das, was man üblicherweise auf Landkarten von Europa mit sieht.

Noch einen Schritt weiter betrachtet benötigt militärische Expansion eine funktionierende und starke Wirtschaft. Rohmaterialien wie Kohle, Eisen, Wolle und Holz müssen in der Landschaft aufgespürt, dort abgebaut und dann in Richtung Hauptstadt transportiert werden. Hierzu sind Spezialisten mit zeitaufwändiger Ausbildung von Nöten: Minenarbeiter bauen Erze ab und Ingenieure bauen Stationen und Schienen zwecks Transport.

Anschließend müssen die Rohmaterialien in Fabriken verarbeitet werden. Dazu müssen diese natürlich erstmal existieren und eine ausreichende Kapazität besitzen. Und es müssen ebenso logischerweise genügend Arbeitskräfte vorhanden sein: Zumindest bis irgendwann das Bohren nach und die Raffinierung von Öl entwickelt wird (neue Technologien werden automatisch entdeckt und können dann jeweils „gekauft“ werden), müssen permanent Arbeiter in ausreichender Zahl eingesetzt werden. Es gibt sogar ein paar einfache Produktionsketten: Bäume können zu Holz oder Papier verarbeitet werden. Aus Holz macht man Stühle, die Voraussetzung zur Anwerbung neuer Arbeiter sind, oder Schiffe. Papier braucht man andererseits zur Ausbildung ungelernter Arbeiter. Natürlich können alle Materialien und Produkte auch weltweit gehandelt werden, so dass man das Spiel nicht notwendigerweise sofort verloren hat, wenn im eigenen Land ein Rohstoff knapp ist.

In diesem Zusammenhang schlägt dann die Natur der kleineren Länder spielerisch negativ zu: Es gibt keinen Unterschied zwischen den „eigenen“ Provinzen, und denen, die man erobern oder kolonisieren kann. Hat man einmal die Kontrolle übernommen, funktioniert alles genauso. Es gibt niemals Probleme mit Aufständen gegen das „ausländische“ Regime und es gibt auch wirtschaftstechnisch keinen Unterschied, etwa durch „exotische“ Waren, die im Heimatland nicht zu finden sind. Bei den paar afrikanischen Ländereien ist es immerhin so, dass man die Waren dann immer auf dem Wasserweg einschiffen muss, aber das war's. Kleinere Länder sind also eigentlich nur Kanonenfutter ohne tiefergehende Relevanz.

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Diese Palisaden konnten dem Kanonenfeuer nicht standhalten

Das zweite (und leider größere) Problem ist das Gewinnen des Spiels. Wie erwähnt wird der Gewinner durch Wahlen bestimmt. In manchen Szenarien passiert es allzu oft, dass ein Land plötzlich einfach zum Sieger erklärt wird - ohne, dass es ernsthaft übermächtig sein muss, manchmal passiert dies sogar mit Ländern, die praktisch schon durch ihre Feinde ausgelöscht sind. Offensichtlich besteht ein riesiges Ungleichgewicht bezüglich der Aspekte, die eine Provinz ihre Stimme vergeben lassen: Reiner Sympathie wird zu viel Relevanz zugemessen, während Macht zu wenig Gewicht hat. Das vielleicht Schlimmste daran: Ein Spieler kann die Stimmen seiner eigenen Provinzen nicht mal kontrollieren!

Auch wenn beide großen Kritikpunkte natürlich nicht einfach vom Tisch gewischt werden können, bietet Imperialismus trotzdem ein hervorragendes Spielerlebnis, da das Spiel auf so vielen verschiedenen Ebenen stattfindet. Wirtschaftliche und militärische Expansion sind eng miteinander verwoben, so dass man keines von beiden vernachlässigen oder die beiden Ziele unabhängig voneinander betrachten darf. Ebenso muss man einerseits strategisch vorsichtig planen und dann Schlachten auf taktischer Ebene austragen, die wiederum ganz andere Fertigkeiten voraussetzen. Und trotz aller langwierigen Erklärungen in dieser Rezension ist das alles gerade mal ein Kratzen an der Oberfläche.

Ohne diese nervigen Wahlen (die man eigentlich als konzeptuellen Bug betrachten muss) und mit einer globaleren Ausrichtung und mehr Flexibilität bezüglich der Szenarien käme Imperialismus der Perfektion im Rahmen des Genres schon sehr nahe. So ist es allerdings nur sehr gut.

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