Crisis in the Kremlin
für PC (DOS)

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Mr Creosote:
Firma: Spectrum Holobyte
Jahr: 1992
Genre: Strategie
Thema: Politik
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 12258
Rezension von Mr Creosote (25.08.2012)
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Im Jahr 1985 war das weitere Schicksal der Sowjetunion noch völlig offen. 1992, als dieses Spiel herauskam, hatte der größte Staat der Menschheitsgeschichte bereits aufgehört zu existieren. Michail Gorbatschows Versuche, den Staat zu reformieren, waren letztlich gescheitert – wobei seine Bemühungen global gesehen immerhin zum Ende des Kalten Krieges, der die Welt seit Jahrzehnten zittern hatte lassen, geführt hatten. Doch es hätte auch durchaus alles anders laufen können. In Crisis in the Kremlin schlüpft der Spieler in die Rolle des 1985 frisch gebackenen Regierungschefs, der erstmal volle Entscheidungsfreiheit bezüglich der einzuschlagenden Richtung hat: Will man auch Perestroika (Umstrukturierung) und Glasnost (Offenheit) ausrufen? Oder sogar noch einen Schritt weitergehen und die nationalistischen Ideen, die sich historisch gesehen letztendlich durchsetzten, offensiv verfolgen? Oder schlägt man sich auf die Seite des alten Regimes und versucht, die traditionellen Strukturen der alten Sowjetunion wieder zu stabilisieren?

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Soll der Staatsfeind freigelassen werden?

Welche Richtung man auch immer einschlägt, resultieren die größten Probleme immer aus der historischen Ausgangssituation. Die strukturellen Probleme des Landes zu der Zeit, wie das nicht funktionierende Verteilungssystem für Nahrung oder die ausufernden Militärkosten, die durch den Krieg in Afghanistan geradezu explodierten, werden durch echte historische Ereignisse ergänzt, die einen immer wieder zurückwerfen. Wenn das Kernkraftwerk von Tschernobyl im Jahr 1986 seinen GAU haben wird, wie will man reagieren? Auf wessen Seite schlägt man sich, wenn der zweite Golfkrieg ausbricht?

Was dann auch die beiden Hauptspielaktivitäten definiert: Aktive Planung und reaktive Entscheidungen. Ersteres dreht sich um die generelle Ausrichtung in mehreren Politikfeldern, die jeweils auf einer Skala von eins bis zehn eingestellt werden kann: Wie frei darf die Presse agieren? Wie aggressiv (oder eben kooperativ) soll man sich in der Außenpolitik geben? Jährliche Budgetplanung kommt natürlich auch dazu und die gut verständlich aufbereiteten Statistiken unterstützen den Spieler adäquat. Letzteres kommt in Form von Ereignissen oder Nachrichten mehr oder weniger unerwartet (da wie gesagt das Meiste natürlich historisch bekannt ist) herein, auf die man mittels vorgegebener Möglichkeiten zu reagieren hat.

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Der Ostblock zerfällt

Was die effektive Spielzeit angeht, nimmt der reaktive Part den Löwenanteil ein. Viele aus anderen ähnlich gelagerten Spielen bekannte Spielaspekte wurden dagegen nicht eingebaut. Man muss weder Minister ernennen, noch andere Posten vergeben; es finden keine direkten Interaktionen mit anderen einflussreichen Parteimitgliedern, Lobbyrepräsentanten oder anderen Regierungschefs statt. Einen täglichen/wöchentlichen oder sogar nur monatlichen Terminkalender muss man nicht pflegen und jonglieren. Auch gibt es keine sonstigen besonderen Aktivitäten, wie die Vorbereitung und das Halten von Reden.

Immerhin trifft Crisis in the Kremlin jedoch in seinem spielerischen Kern den Nagel auf den Kopf: Das richtige Maß an vorsichtigen Reformen zu finden, durch die die inhärenten Probleme langsam gelöst werden können, ohne jedoch bestehende Strukturen rücksichtslos zu zerschlagen (was die Situation nur noch weiter verschärfen würde). Und dabei natürlich immer im Auge zu behalten, keine der Interessensgruppen (inklusive die „alte Garde“) zu sehr vor den Kopf zu stoßen, da sonst ein Putschversuch wohl nicht lange auf sich warten lassen wird.

Trotz des eingeschränkten Gameplays entwickelt sich das Spiel dadurch komplexer als erwartet, und das rein durch die gedankliche Ebene. Passen die tagesaktuellen Entscheidungen (d.h. die Reaktionen auf die besonderen Ereignisse) eigentlich zu der selbst geplanten abstrakten Linie (also der Langzeitplanung)? Gibt es eine Abweichung zwischen gelebter Politik und der öffentlichen Wahrnehmung? Wie kombiniert man langfristige Ziele mit der Notwendigkeit kurzfristiger Erfolge? Die Aufgabe des Spielers ist wirklich nicht trivial oder eindimensional. Und das (unterstützt von attraktiver Präsentation und durchdachter Bedienung) ist es, was Crisis in the Kremlin schließlich gut macht.

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