Conquestador
für Amiga (OCS/ECS)
Auch verfügbar für: Amiga (OCS/ECS) (Spoils of War)

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Mr Creosote:
Firma: German Design Group
Jahr: 1992
Genre: Strategie
Thema: Brettspiel / Multiplayer / Schifffahrt
Sprache: Deutsch
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 16225
Rezension von Mr Creosote (30.09.2012)
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Conquestador ist eines derjenigen Spiele, die einem innerhalb von Sekunden klarmachen, wie sich die Spieleindustrie doch geändert hat. Selbst 1992, ein Jahr, in dem stilistisch viel im Fluss war, hätte man es schon als altmodisch bezeichnen können. Zwanzig Jahre später ist es eventuell sogar nur noch ein Relikt, das niemand, der nicht mindestens seit den 80er Jahren Computerspiele spielt, anrühren wird. Dabei gibt es durchaus gute, nicht rein historisch oder nostalgisch motivierte Gründe dafür.

Doch sprechen wir erstmal darüber, was das Spiel so „altmodisch“ macht. Das Strategiegenre unter den Computerspielen ist aus Brettspielen entstanden. Bei solchen wird das Geschehen traditionell in Runden eingeteilt und strenge Regeln sagen, was man wann tun kann und was nicht. Über die Jahrzehnte entwickelten Computerspiele jedoch ein Eigenleben, da ihre Entwickler es immer besser verstanden, die Freiheiten, die die zugrundeliegende Technik ihnen bot, auch zu nutzen. Auch wenn tatsächlich fast alle Spiele sich weiterhin strenger Regeln bedienten, wurden diese in den Hintergrund gedrängt, existierten also im normalen Spielgeschehen nur noch implizit unter der Oberfläche. Irgendwann war es soweit gekommen, dass es verpöhnt war, dem Spieler einfach zu sagen, dass er etwas nicht tun könne, weil das gegen die Regeln verstoße – es musste schon ein spielimmanenter Grund angegeben werden (selbst wenn dieser tatsächlich nur erfunden wurde, um eben eine willkürliche Regel zu übertünchen).

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Diese Entwicklung ergab durchaus Sinn, denn die statischeren Spielprinzipien der Brettspiele und die Einschränkungen durch die Regeln ergaben sich üblicherweise aus praktischen Gründen. Das Ziel war es immer gewesen, die Realität so nah wie möglich zu abstrahieren. Oder sagen wir mal, das war die vorherrschende Annahme. Wahrscheinlich traf diese auch für die Mehrzahl der Spiele zu.

Jedoch führt diese rein einseitige Propagierung dazu, dass eine vielleicht weniger offensichtliche Qualität vieler Spiele langsam aber sicher verloren ging: Die abstrahierte, analytische Qualität eines strikt regulierten Spielablauf, der auf mathematischer Ebene verstanden und optimiert werden kann. Dies ist schon an sich, d.h. unabhängig von der vorgegebenen Thematik eines konkreten Spiels, eine interessante Herausforderung. Denn wer würde sonst bitte Schach oder Dame spielen?

Selbst in der Welt hochabstrakter Brettspiele nähme Conquestador eine Sonderstellung ein. Vom Ausgangspunkt allseits bekannter Brettspiele bewegt es sich in Gefilden genau jenseits der beschrieben, üblichen Entwicklungen: Die Ressourcen der Computerumgebung werden dazu genutzt, die expliziten Regeln komplexer zu gestalten, als es bei einem Brettspiel möglich wäre. Oder es wäre dann zumindest ein schon sehr komplexes Brettspiel, bei dem man die meiste Zeit damit beschäftigt wäre, Notizen zu machen und Tabellen zu pflegen (was ein Computer ja nun wirklich besser kann).

Offensichtliches Thema des Spiels ist es, in unbekannte Meeresregionen vorzudringen, dort neue Welten zu entdecken und zu besiedeln. Die Konquistadoren, also Anführerfiguren, nehmen eine zentrale Stellung im Spielverlauf ein. Sie teilen sich in drei Typen: Admirale segeln über die Weltmeere und entdecken dabei nicht nur die erhofften neuen Länder, sondern haben auch die Aufgabe, die anderen Leute zu transportieren. Gouverneure bauen und verwalten Städte. Zuguterletzt kümmern sie Generäle um offensive wie defensive militärische Operationen.

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Wo liegen nun also diese strengen Regeln? Am besten erkennt man die Abstammung des Spiels in seinem Phasenmodell. Jede Runde gehört zu einer solchen, so dass unterschiedliche Aktionen nur jeweils manchmal ausgeführt werden können. In einer Phase kann man beispielsweise neue Konquistadoren anheuern und seinen Staatshaushalt global verwalten. Danach folgt dann ein ausgeklügeltes Modell mathematischer Initiativberechnungen, um die Reihenfolge der zu ziehenden Konquistadoren aller Spieler zu bestimmen. Die Konquistadoren werden im Folgenden mit Gold (das dann Zug für Zug verrinnt), Versorgungsgütern und, je nach Typ, Siedlern oder Soldaten ausgerüstet werden — eben je nach dem, wofür sie eingesetzt werden sollen. Irgendwann trifft man dann auf Land, nimmt es in Besitz (wobei die anderen Spieler natürlich das gleliche versuchen), entwickelt die neugegründeten Kolonien und hofft, dass man irgendwann später dann die Früchte der Investitionen davontragen kann, wenn man mit vollgeladenen Handelsschiffen zurück ins Heimatland segelt.

Diese Kurzbeschreibung kratzt natürlich kaum an der Oberfläche des Spiels. Ohne intensives Studium der Anleitung bleibt man ohnehin bereits bei den allerersten Schritten stecken (was den „altmodischen“ Eindruck nochmals unterstreicht). Die Einstiegshürde liegt sehr hoch – die ersten Spielstunden werden zweifellos immer zutiefst frustrierend laufen, wenn man immer und immer wieder versagt; manchmal sogar, ohne dass man weiß, woran es jetzt eigentlich konkret lag. Doch wenn man erstmal in der Gesamtheit durchschaut hat, wie die Dinge so liegen, dann stellt man doch fest, dass die Komplexität gar nicht mal so unüberschaubar ist.

Die Kunst beim Design solcher Spiele liegt darin, die Balance zwischen Einfachheit und Komplexität zu finden, wobei die Regeln trotz gewählter Komplexität vollständig sein müssen, also keinen Missbrauch aufgrund von Auslegungsproblemen und Lücken erlauben dürfen. Letztere werden immer von irgendeinem Spieler gefunden, der dann plötzlich scheinbar schwachsinnige Aktionen vornimmt, die jedoch durch die Regeln zu positiven Effekten führen. Leider ist die Verhinderung solcher negativer Regelauslegungen schwierig zu erreichen. Doch Conquestador schlägt sich in dieser Beziehung hervorragend! Das Spiel ermuntert und belohnt das faire Spielen mit positiven, wie auch negativen Mitteln. Und das Spiel kitzelt eben die Mathematikerehre, es so weit es geht auseinanderzunehmen und zu Tode zu optimieren – der Schach-Effekt. Was eben leider verloren ging, als alle Spiele nur noch „realistisch“ sein wollten.

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