Im Rückblick war eigentlich bereits in den frühen 80er Jahren klar, wie sehr der Stern von Scott Adams bereits zu sinken begonnen hatte. Seine Firma, Adventure International, nannte sich immer noch Marktführer im Bereich der Textadventures, auf Basis der hervorragenden Verkaufszahlen seiner ersten Erfolge. So gelang es Adams, ein paar Lizenzen an Land zu ziehen. Eine für eine aktuellen Blockbuster-Film (der übelst an der Kinokasse floppte), eine für eine Fernsehserie (die keine Zuschauer fand) und zuguterletzt bekam ein einen scheinbar lukrativen Deal mit Marvel Comics in die Finger – der zum Sargnagel für Adventure International werden sollte, als Zahlungen nicht zeitig eingingen.
1984 ging es mit der Questprobe-Reihe los (ursprünglich geplant waren zwölf Spiele) und Spider-Man war der zweite Teil. Die frühen 80er Jahre waren für Comics keine gute Zeit. Diese Zusammenarbeit fand also vor der großen Wiederbelebung des Mediums mit Watchman oder The Dark Knight Strikes Back statt. Zu jener Zeit waren Comics immer noch simple Eskapismusgeschichten für Kinder – die sich allerdings immer weniger interessiert zeigten. Ein kleines Heft lag in der Packing bei, dient als Rahmenhandlung für das Spiel und illustriert die unglaubliche Albernheit typischer damaliger Superheldengeschichten bestens: „You seem to have taken leave of your senses, Spider-Man! Which gives me the opportunity to pummel you into submission!“ Man muss es eingestehen: Spider-Man wurde erst ein paar Jahre später, unter der Feder von David Micheline und Todd McFarlane wieder „cool“.
Das Timing war also wirklich schlecht, da beide Firmen sich gerade wirtschaftlich wie künstlerisch im freien Fall befanden. Im Rückblick einfach zu sagen.
Worum geht es in dem Spiel also ausgehend von erwähntem Comic? Die beiden ergänzen sich auf seltsam symbiotische Weise. Letzterer spannt einen überkomplexen Plot um friedensliebende und kriegerische Aliens, alles zermalmende Raumflotten, einen Supercomputer, der von einem Edelstein mit Bewusstsein gesteuert wird, der aber wiederum den Befehlen eines gleißendem Rieseneis gehorcht, auf. Dazu gesellt sich eine mysteriöse, neu eingeführte Figur namens „Chief Examiner“, der die Kräfte der irdischen Superhelden zu „verstehen“ versucht (eventuell auch auszusaugen oder zu kopieren?). Das Spiel macht dagegen praktisch keinerlei Anstalten, überhaupt etwas zu erzählen.
Vielmehr findet sich Spider-Man einfach in einem Gebäude wieder, in dem sich unerklärt auch seine versammelten Erzfeinde aufhalten. Es gilt, Edelsteine zu sammeln und Madame Web zu bringen. Nach der gedruckten Einführungslektüre sollen wir wohl annehmen, es handele sich um eine Illusion des Chief Examiners, um Spider-Man auf die Probe zu stellen. Die tatsächliche Entstehungsgeschichte ist jedoch wahrscheinlich andersherum: Scott Adams hat seine übliche Schatzsuche programmiert und dann musste ein Vorwand her, dem Ganzen einen Rahmen zu geben.
Während andere Firmen bereits neue Bereiche für das Genre erschlossen, setzte Adams weiterhin auf die alternde Formel, auf die sein usprünglicher Erfolg begründet gewesen war. Spider-Man ist ein sehr herrkömmliches Adventure rund um verschlossene Türen und Wege, in dem man hauptsächlich versteckte Objekte finden muss.
Charaktere existieren nur als mechanische Objekte. Wo der Comic in seiner überbordenden Wortfülle erstickt, ist das Spiel das diamtrale Gegenteil insofern, dass es überhaupt keine expositorischen Beschreibungen oder Dialoge gibt. Es beschleicht einen das Gefühl, Adams und seine Mitstreiter bei Adventure International hätten jenseits des Markennamens kein Interesse an dem Marvel-Universum entwickelt.
Was die Rätsel angeht, sieht es immerhin thematisch etwas besser aus. Spider-Man darf unmögliche Klettereien anstellen und die Spezialkräfte der Bösewichte werden ebenfalls herausgestellt – einmal entsteht daraus sogar eine wirklich originelle Problemlösung, wenn eine Person im wahrsten Sinne des Wortes zu einem Objekt und „eingesetzt“ wird. Davon abgesehen sind die Rätsel jedoch ziemlich durchschnittlich; meist reicht es, genau alles abzusuchen und manchmal schlägt es in die absurde Gegenseite um, aufgrund des Gefühls, es müsse auch mal ein „schwieriges“ Rätsel vorkommen. Das Spiel wurde als mittelschwer beworben. Selbst das mag noch eine leichte Übertreibung sein angesichts dessen, dass selbst der Tod nicht das Ende ist. Moment, zumindest in diesem Aspekt hat sich Scott Adams wohl doch weiterentwickelt.
Auf technischer Seite bietet die C64-Version statische Illustrationen der Räume. Die Comiccharaktere werden in bekannten Posen dargestellt, aber insgesamt kann man nicht von einer entscheidenden Aufwertung des Gesamtpakets sprechen, da sie ansonsten detailarm und ohne künstlerischen Blick gestaltet sind. Andere Versionen des Spiels kamen komplett ohne sie aus. Dadurch ist immerhin sichergestellt, dass man den faden Pixelbrei niemals erkennen muss, da relevante Objekte garantiert auch im Text auftauchen.
Zuguterletzt brüstet sich die Anleitung mit einem Parser, der angeblich vollständige Sätze versteht. Trostlose Realität ist dagegen, dass man es mit dem bekannten VERB-NOMEN-Format zu tun hat. Zusätzliche Worte werden einfach herausgefiltert. Wenn es wirklich darauf ankommt, und man SPRAY WEB eingibt, dann fragt einen das Spiel trotzdem AT WHAT, so dass man das Ziel als zweiten Zweiwortbefehl klarstellen kann. Genau wie in den 70ern.
Es zeichnet sich ein klares Bild von dem Druck, unter dem Adventure International zu der Zeit stand. Konkurrenz wir Infocom oder Level 9 waren meilenweit voraus, was Ein- und Ausgabe sowie interessantere Spielwelten anging. The Hobbit hatte gezeigt, dass selbst krude Grafik die Fantasie der Spieler anregen und eine bekannte Lizenz zu einem großen kommerziellen Erfolg machen konnte. Spider-Man ist leider nur ein halbherziger Babyschritt. Es macht aus der ohnehin zu der Zeit ziemlich schwachen Lizenz herzlich wenig. Spielerisch und technisch geht es in allen greifbaren Belangen in Ordnung, aber abgewanderte Kunden konnte man so sicher nicht mehr zurückgewinnen.
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