Auf der Suche nach dem ultimativen Handheld für Klassiker: die Büchse der Pandora

von Mr Creosote (18.06.2011)

Habt ihr schonmal darüber nachgedacht, wovon die Hersteller moderner „Handheld“-Konsolen eigentlich leben? Ein Tipp: Es ist nicht die Hardware, mit der sie ihr Geld machen, sondern ihre Beteiligung an den Software- (d.h. Spiel-) Verkäufen. Sony, Nintendo & Co. haben also ein originäres Interesse daran, den Mythos, neue Spiele seien per Definition besser als „alte“, aufrechtzuerhalten. Ja, klar, etwas besser mag es in den letzten Jahren geworden sein; es gibt mittlerweile ein paar Sammlungen von Klassikern für diese Systeme zu kaufen, aber...

a) ...man soll für all die Spiele, die man bereits besitzt, nochmal bezahlen.

b) ...man ist vollständig von der Auswahl, die die Firmen für einen treffen, abhängig.

Die Freiheit, selbst zu entscheiden, welche Spiele man laufen lassen will, ist nicht im Preis inbegriffen. Und nun, da dieser Markt ohnehin schleichend von sogenannten Smartphones übernommen wird, verschlechtern sich die Dinge sogar noch: Apple erlaubt es einem noch nicht mal, einen Emulator auf ihren Telefon laufen zu lassen, da das ihre Regel über „Programme in Programmen“ verletzen würde!

Schaut man jedoch über den Tellerrand des Elektronikmarktes um die Ecke, gibt es durchaus Alternativen. Eine davon nennt sich OpenPandora. Die beschriebene Situation mag einer der Faktoren gewesen sein, die zur Entwicklung dieses Systems führten. Nicht unterschätzen sollte man jedoch auch den immerwährenden Drang, der Ingenieuren und Informatikern innewohnt, immer wieder neue Dinge zu bauen. Ob man es glaubt oder nicht, unsere Generation (d.h. die Menschen, die all diese Spiele, die auf dieser Seite Thema sind, gespielt haben, als sie neu waren) ist erwachsen geworden und kann solch ein Projekt stemmen.

Die guten Seiten

Das „einfache“ GUI

Was bietet diese mysteriöse Pandora also? Vor Allem ist es erstmal wichtig zu verstehen, dass obwohl es sich um ein Gerät „von Spielern für Spieler“ ist, die Pandora keine funktional eingeschränkte Konsole ist, die ausschließlich Spiele eines bestimmten Formats spielt. Sie ist ein vollwertiger Mini-Computer und ist dabei nur unwesentlich größer als ein Nintendo DS - man kann sie also sogar in die Hosentasche stecken (was dann etwas komisch aussehen mag, aber von modischen Gesichtspunkten abgesehen spricht nichts dagegen). Trotz der geringen Größe kann sie mit einer Tastatur und auch den üblichen Steuerelementen für Spiele aufwarten (ein Joypad-Steuerkreuz, sechs Knöpfe und zwei analoge Controller) und hat darüber hinaus einen Touchscreen.

Softwaretechnisch kann man sich zwischen einem vollwertigen „Desktop“ und einem simpleren, übersichtlichen Menü zum direkten Starten von Programmen entscheiden. Ersterer kann all die Anwendungen, die man heutzutage von einem Computer erwartet, parallel laufen lassen. Will man nur spielen, bietet letzteres schnellen Zugriff. Reicht einem das alles nicht, kann man sogar von Grund auf ein anderes Betriebssystem installieren - ohne vorher zweifelhafte Cracks oder „Jailbreaks“ von wenig vertrauenswürdigen russischen Servern herunterzuladen.


Doch was ist denn nun mit den Spielen? Die meisten, die man hier auf der Seite findet, werden problemlos laufen - und darüber hinaus natürlich zahllose weitere. Emulatoren für so ziemlich jedes klassische System existieren, ob es nun Dosbox (für eine Runde 3D Cyberpuck), UAE (um schnell mal North & South anzuwerfen), NES (für Donkey Kong oder Zelda) der Stella (um sich beim Angeln zu entspannen) ist. Ebenso gibt es die üblichen Interpreter: ScummVM bringt all die alten Lucasfilm-Adventures von Maniac Mansion an sowie zahlreiche weitere anderer Firmen (z.B. Baphomets Fluch) auf den Bildschirm. Frotz spielt alles von Zork bis Anchorhead. Letzteres Spielgenre sollte auch nochmal unterstreichen, wie riesig der Vorteil einer echten Tastatur ist: Wer schonmal versucht hat, sie auf einer virtuellen Tastatur per Touchscreen zu spielen, weiß, wovon ich spreche.

Über die Klassiker selbst hinaus gibt es eine Menge direkt auf die Pandora portierte Freewarespiele, von denen ebenfalls ein großer Anteil Remakes oder inoffizielle Nachfolger von Klassikern sind. Die üblichen Verdächtigen wie SuperTux (ein hervorragender Super-Mario-Klon), ein originalgetreues Remake von Paradroid, Sopwith und sogar OpenTTD, ein spielerisch stark erweitertes Remake von Transport Tycoon, erwarten einen.

Die schlechten Seiten

Battle Isle funktioniert dank seiner Joysticksteuerung gut

Letzteres zeigt allerdings allzu deutlich die Grenzen der Pandora auf. Technisch gesehen läuft das Spiel, aber ohne richtige Maus macht es keinen Spaß. Der gleiche Effekt tritt bei Theme Hospital auf (das ebenfalls nativ läuft): Schön, das Spiel auf dem Bildschirm zu sehen, aber ernsthaft spielbar ist es nicht.

Das zeigt die eine klaffende Lücke im Hardwaredesign der Pandora: Die Mausemulation durch diese analogen Controller ist einfach nur traurig. Der Touchscreen, der mit dem mitgelieferten „Stift“ eigentlich gut bedient werden kann, ist für alles, was Mausbewegung erfordert, ebenfalls nutzlos. Warum kein IBM-Nippel eingebaut wurde, ist ein Rätsel - das hätte die umfassende Verfügbarkeit verschiedenster Eingabemöglichkeiten vervollständigt. Allgemein sind Strategiespiele dadurch natürlich nicht ausgeschlossen: Alles, was keine diffizilen Mausoperationen erfordert (z.B. „die rechte Taste gedrückt halten, während man die Maus im Uhrzeigersinn dreht“), wie beispielsweise Civilization, funktioniert gut.

Ein Remake von Nebulus

Folgendes ist kein technisches Problem, aber man muss sich natürlich bewusst sein, wenn man den Kauf einer Pandora in Betracht zieht, dass keine große Firma dahintersteht. Sie wird von zwei Firmen hergestellt und vermarktet, aber diese Ein-Mann-Firmen sind nur zu diesem Zweck überhaupt gegründet worden. Die üblichen Effekte größerer Geldsummen für Marketing gibt es nicht, es gibt keine etablierten Vertriebswege über bekannte und verbreitete Elektronikmärkte und auch keinerlei Entwicklung neuer kommerzieller Spiele durch große, etablierte Firmen. Wenn moderne Spiele ein Muss sind, wird man mit einer Pandora nicht glücklich.

Ähnlich liegt mit technischem Support: Es gibt Internetforen, IRC, ein Wiki oder E-Mail, aber der typische Effekt „kritischer Masse“, dass man auch beim Technikfreak nebenan klingeln kann, der das Gerät dann schon wieder in Ordnung bringt, wenn man Probleme hat, tritt natürlich nicht ein.

Fazit

Der „Desktop“

Spielt all das keine Rolle, sollte die Pandora jedoch erste Wahl sein. Auf den ersten Blick mag der Preis recht hoch wirken. Dabei muss man sich jedoch wieder ins Gedächtnis rufen, dass dieser Artikel auf Spiele fokussiert ist und nur sehr oberflächlig die nicht-spielerischen Möglichkeiten angedeutet hat. Bedenken muss man auch, dass man bereits vorliegende Spiele nicht nochmals kaufen muss: Nachdem man die Pandora selbst (und eine SD-Karte als Massenspeicher) erstanden hat, gibt es keinerlei Folgekosten.

Ich persönlich nehme die Pandora mittlerweile meistens überall dorthin mit, wo ich sonst einen großen Laptop mitgeschleppt hätte. Ich kann meine E-Mails abrufen und beantworten, Webseiten anschauen, mich mit meinem Netzwerk zu Hause verbinden, Webseiten administrieren, Notizen machen und sogar programmieren - und auf langen Zugfahrten kann ich Musik hören, Filme anschauen oder meine Lieblingsspiele spielen. Auf dieser kleinen Tastatur werde ich sicher keinen Roman schreiben, aber für die meisten Aufgaben ist die Pandora mehr als ausreichend. Abgesehen von der handlichen Größe hat die Pandora sogar noch einen Vorteil gegenüber einem normalen Laptop: Die Batterie hält 10 Stunden durch! Das heißt bei normaler Benutzung - wenn man den Bildschirm ausstellt, um nur Musik zu hören, ist es bedeutend mehr.

Die Pandora benutzt Technik, um ihrem Benutzer mehr zu ermöglichen, ihm Möglichkeiten zu eröffnen, ihm Freiheit zu schenken. Die Mainstream-Handhelds und Telefone sind das genaue Gegenteil: Dort wird Technik benutzt, den Benutzer künstlich einzuschränken. Dieser Unterschied allein ist bereits die größte Hochachtung wert!

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