Voyeur …don't get caught
für CD-i

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Mr Creosote:
Weitere Titel: Voyeur …laß Dich nicht erwischen! , Voyeur …soyez prudent
Firma: Philips P.O.V. Entertainment / Philips Interactive Media
Jahr: 1993
Genre: Denkspiel
Thema: Krimi
Sprache: English, Deutsch, Français
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 24674
Rezension von Mr Creosote (09.07.2016)
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In den frühen 1990er Jahren erschien der Besitz eines CD-basierten Computersystems als heiliger Gral für Spieler. Zumindest von außen betrachtet, wenn man die tatsächlich verfügbaren Spiele noch nicht selbst hatte erleiden müssen. Das CD-i im Besonderen war seinen Zeitgenossen (dem Commodore CDTV und dem Sega Mega CD) gerade grafisch um Einiges voraus! Dieser Traum wurde für mich niemals wahr – das System blieb mir bis heute, da ich mich nun zum Wohle der Menschheit überwunden habe, unzugänglich (und selbst jetzt natürlich nur per Emulator). Ein paar Jahre später war Philips Semiconductors tatsächlich einer meiner ersten Arbeitgeber, doch obwohl es mir selbst dann noch unter den Nägeln brannte, mehr über das System und sein Drumherum zu erfahren, war das CD-i zu der Zeit bereits völlig den Bach runter gegangen und als einer der größten Fehlschläge der Firmengeschichte final verbucht worden, so dass es mir als Neuankömmling weiser erschien, es lieber nicht zu erwähnen.

Aber besser spät als nie, und wie sollte man sonst beginnen, ein System kennenzulernen, als mit seinem geplanten Aushängeschild – dasjenige Spiel, das zu seiner Killerapplikation werden sollte, also das eine Spiel, das so bahnbrechend erschien, dass die Kundschaft das ganze System kaufen würden, nur um dieses eine zu spielen. In Philips' Plan fiel diese Rolle Voyeur zu; eine interessante Wahl, wenn man bedenkt, dass Spielsysteme ansonsten üblicherweise mit „familienfreundlichen“ Imagekampagnen assoziiert werden. In diesem Fall wohl die Zielsetzung, wie man Bekanntheit erreichen wollte, eine andere, und mangels der Gelegenheit, die damaligen Marketingmenschen zu befragen, lassen wir das einfach mal so unaufgelöst stehen.

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Voyeur baut ganz auf das Fundament der Seifenopern der 1980er Jahre, wie sie im amerikanischen Fernsehen zur besten Sendezeit gelaufen waren (Der Denver Clan, Dallas). Der steinreiche Industrielle und Schleimbeutel Reed Hawke versammelt seine Familie in seinem luxuriösen Anwesen und will dort die Ankündigung seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahl vorbereiten. Natürlich steht innerhalb der Familienbande nicht alles zum Besten und so entspinnt sich in diesem Mikrokosmos schnell ein mörderisches Drama. Der Spieler (dessen Motivation unerklärt bleibt) hat seine Kamera in einer Wohnung auf der anderen Straßenseite bereits aufgestellt. Mittels dieser Kamera lugt er durch die Fenster und bannt gnadenlos alles auf Band, das er zu Gesicht oder ihm zu Ohren kommt (wenn Jemand mal die Rollos heruntergelassen hat). Ach ja, und manchmal kann die Kamera auch noch Gedanken lesen, Buchseiten umblättern, Computer fernsteuern usw. – eben all das, was gerade mal praktisch sein könnte. Das Ziel der Übung ist immerhin klar: Es gilt, Hawke dabei zu erwischen, wie er sich die Hände schmutzig macht, und somit seine Präsidentschaft zu verhindern.

Wie in diesem aufkommenden Genre üblich (dies ist eines der ersten Spiele seiner Art) beschränkt sich die Einflussmöglichkeit des Spielers darauf, zu jedem Zeitpunkt auszuwählen, welche der gleichzeitig ablaufenden Szenen er sich anschauen möchte. In einem Raum könnte beispielsweise Hawke mit seiner Sekretärin reden, während hinter einem anderen Fenster seine Schwester neue Hüte aufprobiert. Welche Szene sich dem Ziel als nützlicher erweist, gilt es in wiederholten Spieldurchläufen zu ergründen.

In dieser Erkundungsphase springt einem dann auch die Hauptattraktion des Spiels geradezu ins Gesicht. Es ist schon beeindruckend, wie viele Aufnahmen von jungen Frauen in Unterwäsche man in einem solch kurzen Plot unterbringen kann! Ob es nun die clichéhafte Massage, das gemeinsame Anprobieren von Kleidung, Meditation oder eine Verführungsszene ist: Niemand zieht sich jemals wirklich aus – Sex findet entweder bekleidet oder hinter zugezogenen Vorhängen statt, so dass man den unkonventionellen Einsatz einer Gurke, der männliche Spieler (gibt es andere?) eventuell etwas verunsichern könnte, nur zu hören bekommt – aber spärlich bedeckte Körper machen schon den Haupteindruck des Spiels aus. Billige sexuelle Spannung wird durch deutliche Anspielungen auf Inzest, lesbische Liebe, Vergewaltigung usw. gewährt.

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Da die Sache aber doch niemals heißer wird als das übliche Soap-Niveau, bleibt einem dann doch nichts anderes übrig, als sich irgendwann wieder dem Spielziel zuzuwenden, also Hawke auf frischer Missetat zu ertappen. Was sich als nicht so schwierig herausstellt. Gegen Ende begeht er zuverlässig einen Mord – und wenn man das auf Band bannt, ist er geliefert. Wer das Mordopfer sein wird, wo und wann es stattfindet variiert zufällig leicht, um die Wiederspielbarkeit zu erhöhen. Von vornherein ist klar, dass vier Familienmitglieder ein Hühnchen mit dem Ekelpaket zu rupfen haben und deshalb eventuell aus dem Weg geräumt werden müssen. Was zwar den Großteil der Videos nicht beeinflusst, aber immerhin besser als gar nichts ist.

Im Vergleich zu dem noch älteren Night Trap hat man einen großen Schritt nach vorn getan: Voyeur verwebt erfolgreiches Spielen mit Unterhaltung – d.h. um zu gewinnen muss man sich die interessanten Clips anschauen (wohingegen Night Trap einen zwang, entweder dem Plot zu folgen oder zu gewinnen). Darüber hinaus ist auch die technische Qualität offensichtlich deutlich hochgeschraubt: Die Videos werden in vernünftiger Auflösung und mit hoher Farbanzahl gespielt, was einem guten Bild auf damaligem Fernsehniveau gleichkommt. Nachteilig ist allein hierbei, dass keine echten Kulissen eingesetzt wurden, sondern die Aufnahmen der Charaktere vor billige computergenerierte Hintergründe montiert wurden. Die Soundqualität ist ebenfalls gut und die Musik unterstützt die Stimmung sogar hervorragend.

Doch leider wird dieser Qualitätsvorteil schnell wieder durch die Probleme beim Schwierigkeitsgrad verspielt. Das Spiel zu lösen ist beinahe trivial, sobald man erkennt, dass man dem Schleimbeutel einfach nur immer mit der Kamera folgen muss. Die einzige Varianz entsteht durch den Versuch, das optimale Ende zu erreichen, in dem man den Mord sogar verhindert. Dazu muss man klare Belege des Plans aufnehmen und diese dem geplanten Opfer rechtzeitig zukommen lassen. Theoretisch soll sich damit wohl eine Risikoabwägung beim Spieler einstellen, denn wenn diese Videokassette in die falschen Hände fällt, schickt der Bösewicht schnell mal seine bewaffnete Sekretärin rüber, um sich um den Spion zu kümmern. Praktisch besteht allerdings keinerlei Risiko, da völlig durchschaubar ist, wem man in diesem Fall trauen kann und wem nicht.

Das ist schon etwas schade, denn Voyeur ist keinesfalls wirklich schlecht. Natürlich kann man den Plot mit seinen billigen Spannungs- und voyeuristischen Momenten, die in schlimmem Schmierenkomödiantentum vorgetragen werden, keinesfalls ernstnehmen – aber genau das erwartet man ja von einem solchen Spiel und das macht es ja überhaupt nur mit ironischem Blick spielenswert! Plot & Gameplay zu einer Einheit zu formen ist ein riesiger Vorteil, den man keinesfalls unterschätzen sollte und die technologische Umsetzung macht die Sache auch ganz attraktiv anschaubar. Wenn nur die Entschlüsselung des zentralen Rätsels etwas komplexer wäre…

P.S. Der Zugangscode zum Starten des Spiels ist 3333.

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