Diablo
für PC (Windows)

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Mr Creosote:
Firma: Blizzard
Jahr: 1996
Genre: Rollenspiel
Thema: Horror / Schwerter & Magie
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 3552
Rezension von Mr Creosote (15.01.2022)
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Wodurch entstehen Legenden? Es gehört auch eine gute Portion Glück dazu. Mit dem richtigen Produkt zur richtigen Zeit auf dem Markt zu sein. Diablo kam zu einer Zeit heraus, als der PC-Spielemarkt gerade explodierte und platzierte sich in einer Nische, die praktisch unbesetzt war. Es sah toll aus und klang ebenso. Und drin steckte ein Spielprinzip, das sich bereits seit Jahrzehnten als besonders suchterregend erwiesen hatte. So wurde das Spiel zu einem der prägenden frühen Erlebnisse vieler Spieler.

Die audiovisuelle Produktionsqualität hatte sicher seinen Anteil am Erfolg und ist auch einigermaßen gut gealtert. Zum Glück stammt das Spiel noch aus der Zeit vor den schlimmsten Auswüchsen früher allzu wilder 3D-Experimente. Die statische, isometrische Perspektive macht sich mit den atmosphärischen Wandtexturen (die alle vier Level ausgewechselt werden) und flüssig animierten Sprites recht gut. Musik ertönt nur im Dorf und ist angemessen gruselig, auch da subtil kleine Soundeffekte hier und dort eingestreut werden. Die Sprachausgabe gibt sich den Genreerwartungen entsprechechend pompös und die Soundeffekte im Dungeon erledigen den Rest.

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Ab in den Dungeon!

Frisch ins Spiel gezogen wartet erwähnter spielerischer Kern. Man wählt eine der drei Charakterklassen (Kämpfer = großes Schwert, Bogenschützin: unendlich spitze Pfeile, Magier: viele, viele Zaubersprüche) und schlachtet im Dungeon alles ab, was sich bewegt. Erfahrungspunkte verbessern die Charakterwerte. Noch entscheidender sind jedoch neue Ausrüstungsgegenstände. Erst findet man das +1-Schwert, dann das +2-Schwert und dann folgt, wow, das +4-Schwert mit einer Lichtverzauberung! Mäntel werden durch Leder- und später durch Metallrüstungen ersetzt. Oder man findet, als Magier, Schriftrollen und Zauberbücher, die das Arsenal äquivalent erweitern.

Man kann dieser Mixtur aus Erkundung und Erbeuten einfach nicht entkommen. Schnell schwingt man sich in einen natürlichen Rhythmus ein, aus dem es kein Entkommen mehr gibt. Nur noch eine Ebene tiefer in den Dungeon. Nur noch etwas mehr Erfahrung sammeln, bis die Stärke aufsteigt. Oh, diese neue Waffe ist verzaubert – schnell identifizieren!

All das kennt man natürlich bereits aus Klassikern wie Moria. Um genau zu sein ist praktisch die gesamte Spielstruktur, bis hin zum Dorf auf der Oberfläche, praktisch von dort übernommen.

Seit Diablos Veröffentlichung meldeten sich immer wieder Genrefans, deren Aufmerksamkeit nicht 1983 (eben mit Moria) geendet hatte, die den Verlust „allen, was das Genre interessant macht“, lamentierten. Und es stimmt schon, dass Diablo keinerlei Anstalten macht, irgendwelche komplexeren Features aus späteren Spielen zu integrieren. In diesem Sinne ist Diablo keine Konkurrenz selbst für Angband oder NetHack aus den späten 80er Jahren.

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Es möge Pfeile regnen!

Insbesondere die taktischen Aspekte der relationalen Positionierung guter Roguelikes fehlen praktisch völlig. Abgesehen von völlig offensichtlichen Entscheidungen wie das Beschießen der Monster von sicheren Plätzen aus (z.B durch fensterähnliche Öffnungen) oder das Begegnen größerer Gegnermengen an engen Stellen (wie Türen oder Gänge) muss man in Kämpfen praktisch nicht nachdenken. Stattdessen werden diese schlicht und einfach durch Körperkraft, die mitgebrachten Heiltränke sowie einem geübten Schnellklick-Zeigefinger entschieden. Dies gilt selbst für Endgegner wie Diablo selbst sowie die der kleinen Quests. Eine Taktik oder einen Trick, sie zu besiegen, gibt es nicht. Man muss einfach seinen Charakter ausreichend stark aus- und aufgerüstet haben. Entsprechend eindimensional gestaltet sich die Charakterentwicklung.

Doch wie meist mit solcher Kritik, so korrekt und zutreffend sie auch sein mag, verfehlt sie doch den Kern der Sache. Diablo ist unter den Roguelikes, was HeroQuest zu Rollenspielen ist. Es ist ein Spiel für die Massen, nicht für Spezialisten. Relationale Positionierung? Das interessiert den gemeinen Spieler nicht. Viel wichtiger ist der Adrenalinschub, wenn man den Schrei eines Monsters vernimmt, es auf einen zustürmen sieht und ihm schließlich das Schwert ins Fleisch rammt, bis es tot zu Boden sinkt. Um dann mit noch mehr zufälligen Schätzen belohnt zu werden. So nutzlos diese Belohnung häufig auch sein mag.

Entsprechend müssen sich Bogenschützinnen keine Sorgen um Munitionsnachschub machen, geschweige denn sich mit unterschiedlichen Pfeiltypen herumschlagen. Selbst, was die sonstige Ausrüstung angeht, muss man sich selten große Gedanken machen. In 99% der Fälle fällt der Vergleich zwischen Waffen, Rüstungen usw. offensichtlich aus. Die Regel komplexerer Spiele, dass besonders gute Gegenstände auch immer einen Nachteil haben sollten, wurde hier nicht angewandt.

Ja, es ist alles ziemlich flach, aber auch wirklich entspannend, seinen Geist auszuschalten und sich treiben zu lassen. Diablo ist ein Spiel für diejenigen, die sich im Kino Popcorn kaufen. Die wahren Cineasten mögen über das Rascheln und Knacken die Nase rümpfen, aber so sieht nun mal Massenwirksamkeit aus.

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