Space Job
für PC (DOS)

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Herr M.:
Firma: Karstadt AG
Jahr: 1993
Genre: Action, Denkspiel, Strategie
Thema: Geschäftswelt / Fliegen / Humor / Werbespiel / Science Fiction / Lebenssimulation
Sprache: German
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 12902
Rezension von Herr M. (13.09.2014)
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Lebenssimulationen haben einen ungewöhnlichen Reiz: Einerseits lebt man in seinen grauen Alltag hinein, anderseits will man diesem entfliehen indem man in den grauen Alltag von jemand anders hineinschnuppert. Man stellt sich gewissermaßen die Frage, wie es wohl wäre, wenn man seine tägliche Routine durch eine vermeintlich aufregendere ersetzt. Und schon sind wir beim springenden Punkt, beim A und O einer jeden gelungenen Simulation: Bietet das virtuelle Leben genügend Novitäten um zu unterhalten? Kann es, zumindest für kurze Zeit, ein wenig Zerstreuung bieten? Für Space Job lautet die Antwort relativ eindeutig: Nein. Denn obwohl ein paar sehr gute Ansätze erkennbar sind, gehen diese leider völlig in einem konfusen Gewirr aus Werbung, halbgaren Ideen und Programmierfehlern unter.

Da es sich um ein Werbespiel der Firma Karstadt (eine einst äußerst erfolgreiche deutsche Warenhauskette) handelt, kommt das mit der Propaganda natürlich weniger überraschend. Was allerdings ein wenig ungewöhnlich ist, ist welche Welt man dafür gewählt hat. Wohl mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass Science Fiction einfach cooler ist, wurde das Spiel im Weltraum angesiedelt, d.h. die einzelnen Abteilungen des Kaufhauses nehmen hier ganze Planeten ein und werden in einem turbokapitalistischen Utopia (bzw. je nach Geschmack Dystopia) vom namensgebenden Unternehmen regiert. Drei (geklonte?) Direktoren, selbstredlich alles Männer, haben hier das sagen und gehören gleichzeitig zu den ganz wenigen Menschen, die man zu Gesicht bekommt. Ansonsten trifft man fast ausschließlich auf Außerirdische, Cyborgs und Roboter.

Doch kein Grund zur Sorge, denn Firmen wie der weltgrößte Sprudelproduzent oder ein inzwischen beinahe eingegangener Filmhersteller, haben auch ihren Weg in diese schöne neue Welt gefunden und sorgen für vertraute Werbeflächen. Richtig gelesen: Es handelt sich hier um ein Werbespiel, in dem nicht nur für den ursprünglichen Auftraggeber sondern auch für andere Marken geworben wird. Wären da nicht die leicht satirischen Züge des Szenarios, würde das ganze wohl wie ein etwas aufgemotzter Werbeprospekt wirken. Zum Glück zählt der Humor aber zu den Dingen, die den Entwicklern am vergleichsweise bestem gelungen ist, wodurch es dann eben doch nicht nur zur plumpen Marktschreierei verkommt. Wobei sich leider dennoch der ein oder andere müde Kalauer eingeschlichen hat (man werfe beispielsweise nur einen Blick auf die Filmtitel).

Soviel vorerst zum Hintergrund, doch wofür wird diese Bühne eigentlich verwendet? Grob gesagt wurde der Versuch gestartet den Arbeitsalltag eines Mitarbeiters darzustellen, der ganz klein anfängt, um sich von dort nach oben vorzuarbeiten. Dabei muss man darauf achten Arbeit und Freizeit unter einen Hut zu bringen, sich also weder zu überarbeiten noch durch Untätigkeit negativ aufzufallen. Wer brav die ihm zugewiesenen Minispielchen absolviert kann vielleicht eines Tages mit einer Beförderung rechnen. Eine Reihe einfacher Statistiken sollen dabei helfen ein wenig den Überblick über Fitness, Arbeitspensum und Karrierestatus zu bewahren. Soweit so gut, woran es leider ein wenig hapert, ist die Umsetzung dieser Idee. In der Theorie klingt das zwar nach einem brauchbaren Konzept in einem originellen Szenario, aber letzten Endes sind es Mängel bei vergleichsweise kleinen Details, allerdings an allen Ecken und Enden, die sich unter dem Strich zu einem gewaltigen Störfaktor aufaddieren. Werfen wir dazu am besten direkt einen Blick auf den typischen Tag eines Neo-Mitarbeiters.

Als aufstrebende junge Person will man (vermutlich weil man gar nicht anders kann) bei diesem Hypermegagroßunternehmen einsteigen. Man spricht beim Chef vor und kriegt sogleich eine Abteilung zugewiesen, zu welcher man sodann mit seinem Weltraumgleiter düst, um dort in Zukunft mäßig spannenden Aufgaben nachzugehen. Da hätten wir beispielsweise Aufräumen: In einem recht trivialen Gedächtnisspiel wird eine Reihe von Gegenständen vom Bildschirm genommen, und man muss sie nun wieder an ihre angestammte Staubsammelposition zurück stellen. Oder wie wäre es mit Kundenberatung? Einfach nicht locker lassen, immer etwas anderes empfehlen als ursprünglich verlangt wurde und im Zweifelsfall immer daran denken: „Der Schrottwert ist enorm!“ Der Gipfel der Langeweile dürfte aber das Zuweisen von Preisen sein. Am Lustigsten daran ist, wie obsolet es mittlerweile geworden ist, für jedes Objekt einzeln in elendslangen Listen nachzusehen, anstatt dies gleich einen Computer machen zu lassen.

Wer im Zentrallager arbeitet, oder gerade ein paar Stunden Zeit totzuschlagen hat, kann sich außerdem noch an einem Soko-Ban-Klon versuchen, den man fast als das Highlight des Spiels bezeichnen könnte. Zumindest stürzt dieser nie ab (dazu später noch mehr) und hier geht auch, durch das geniale – wenn auch nicht mehr sonderlich neue – Spielprinzip, die Gleichung Arbeit + Spaß = Spiel am besten auf. Das genaue Gegenteil ist ein Job, den ich fast vergessen hätte zu erwähnen, so schrecklich ist er: das Mülltrennen. Am Fließband ziehen Kartons und Plastiktonnen vorbei und man muss K oder P drücken, je nachdem, was gerade am Kontrollpfeil vorbeizieht. Die größte Herausforderung dabei ist, nicht einzuschlafen. Man muss allen diesen Tätigkeiten aber zugute halten, dass im großen und ganzem zumindest für eine gewisses Maß an Abwechslung gesorgt wurde und es einem (meistens) selbst überlassen ist, was man gerade tun möchte.

Wer sich davon nach einem langen Tag, an dem man sehnsüchtig den Minuten beim Nichtverstreichenwollen zugeschaut hat, erholen will stößt auf eine wahrhaft frustrierende Seite des Spiels: Alles was mit Freizeit und Spaß zu tun hat ist einfach für die Katz. Das Kino nimmt einem hier tatsächlich nur 2h Stunden seines Lebens, die man nie wieder zurück bekommt, Essen ruiniert bestenfalls nur die Gesundheit und im Kasino verliert man mehr Geld als im echten Leben.

All das ist aber nichts im Vergleich zur Suche nach Kontakt zum anderen Geschlecht. Es ist offensichtlich, dass es da etwas mehr geben hätte sollen, dass man vielleicht auch Beziehungen anbahnen könnte, aber entscheidende Teile davon fehlen einfach, d.h. sie sind schlicht nicht implementiert worden. Man kann zwar im Fitness-Studio trainieren um vermeintlich attraktiver zu werden (wie hohl man das findet, sei jedem selbst überlassen), aber in der Bar läuft es dann immer gleich ab: Entweder man tanzt und trinkt mit exotischen Wesen von fremden Welten bis zur Sperrstunde, oder man fängt sich ein paar #@*$#%-Rufe ein, weil man jemanden nach Hause mitnehmen wollte. Auch der Geschenkladen, der stets an eine völlig unbekannte Person liefert, meldet immer die gleiche Ablehnung der Präsente. Alles was bleibt ist das was alle diese Entspannungsmaßnahmen sind: ein Geldgrab.

Solcherart enttäuscht will man vielleicht lieber etwas für seine Bildung unternehmen, sich also für einen Kurs an der Volkshochschule eintragen? Das Angebot klingt ein wenig ungewöhnlich, aber durchaus interessant, und die ein oder andere Zusatzqualifikation sollte einem theoretisch schneller auf der Karriereleiter weiterhelfen. Zu blöd nur, dass man, nachdem man sich eine Woche lang abgehetzt hat seine Arbeitszeiten mit den Unterrichtsstunden unter einen Hut zu bringen, die hässlichste Facette des Spiels zu Gesicht bekommt: die Abstürze. Wer das „Glück“ hat, dass der Kurs nach der angegebenen Zeit tatsächlich zu Ende ist und nicht einfach endlos weiter geht, bekommt ein Zeugnis zugeschickt. Und dieses hat es in sich! Denn leider dürfte sich der Kursleiter einen fatalen Virus eingefangen haben, so dass man beim öffnen der Mail entweder aus dem Spiel fliegt (manchmal sogar mit Fehlermeldung) oder in sehr seltenen Fällen völligen unverständlichen Nonsens vorfindet (wohl irgendein falscher Speicherbereich, oder die Katze ist über die Tastatur gelaufen).

Dabei ist dies nur ein Beispiel von vielen: Es gibt Hänger beim Preisezuweisen (was diese öde Tätigkeit wenigstens ein wenig spannend macht: Schaffe ich es ohne Absturz oder kostet mich das Anti-Grav Gel einen Arbeitstag?). Der nichtige Geschenkladen hat auch schon mal gerne Speicherzugriffsfehler im Angebot und Reparaturroboter vergessen gerne, dass man einen Weltraumgleiter hatte (vielleicht haben sie sich auch ein Zubrot verdient indem sie sie über die Grenze ins Walmart-System gebracht haben, wer weiß).

Zu den schlimmsten Fehlerquellen, die das Spiel tatsächlich ruinieren, zählen allerdings die Chefs: Wer sich brav bewährt wird schon mal eingeladen, sich auch in anderen Abteilungen zu versuchen. Zu dumm nur, dass die Eingabefläche dafür so verbuggt ist, dass man die Bereiche nur per Tastatur auswählen kann. Und selbst so kann man einen davon gar nicht auswählen. Ob es nun das Zentrallager oder die Allgemeinabteilung ist, ist schwer zu sagen, da man das eine auswählt und der Direktor vom anderen spricht. Vielleicht ist das auch der Grund dafür, dass man früher oder später, egal wie sehr man sich abmüht, wegen vermeintlicher Faulheit entlassen wird. Das eigentliche Spielziel, die Beförderung zum Abteilungsleiter, kann damit gar nicht erreicht werden. Stattdessen wird man nach der unvermeidlichen Entlassung immer in ein schwarzes Loch geschossen.

Man wäre fast versucht zu sagen, dass das Spiel dort auch hingehört, doch wäre das wohl ein wenig unfair. Denn das wirklich enttäuschende an Space Job ist nicht, dass es so vermurkst ist, sondern dass es sehr viel verspricht, aber so wenig davon hält. Man sieht eindeutig, dass hier jemand große Ambitionen hatte ein (für die Werbebranche) gewaltiges Spiel zu schaffen und dabei auch etwas Kreativität bewiesen hat. Ein gewisser Aufwand ist zumindest deutlich spürbar. Und immerhin hatte Karstadt ja auch eine große Kampagne am Laufen (ich kann mich beispielsweise noch an vollseitige Anzeigen erinnern, die das Erscheinen des Spiels in einem großen Wettbewerb anpriesen), was zusammen mit der Tatsache, dass es ja auch verkauft anstatt verschenkt wurde, davon zeugt, dass man überzeugt war, ein wenig mehr als die Billigprodukte der Werbekonkurrenz zu bieten.

Das durchaus vorhandene Potential sorgt dann auch dafür, dass es am Anfang, trotz der eher banalen Aufgaben, auch Spaß macht, aber sobald man auf die ersten Fehler und Abstürze trifft, die sich dann zunehmend häufen, wird man recht rasch desillusioniert. Wenn man einmal begriffen hat, dass gewisse Teile einfach fehlen und das was da ist eher langweilig ist, stellt sich der Eindruck ein, dass es ein ganz klassisches Potemkinsches Dorf ist: viel Fassade und leider zu wenig dahinter. Die Unmengen an Programmierfehlern lassen dabei Zweifel aufkommen, ob manche Features von Haus aus so unvollständig geplant waren, oder ob sie durch Ungeschick ruiniert wurden. Der Verdacht liegt nahe, dass hier ein Termin eingehalten werden musste, und daher einiges zusammengestrichen wurde.

Was Space Job letzten Endes dann vor einem Totalabsturz rettet ist, dass es durch die breite Streuung dann doch ein paar gute, durchaus amüsante Ideen vorzuweisen hat, die trotz der Fehler hinhauen, und dass der eingebaute Sokoban-Klon für sich genommen eigentlich schon ein ganz gutes, wenn auch nicht sonderlich originelles Spiel ist. Wer will kann sich übrigens durch die leicht editierbare SOKOBAN.BIN Datei sogar eigene Levels dafür bauen.

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