Wizardry: The Return of Werdna - The Fourth Scenario
für Apple II

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Mr Creosote:
Weitere Titel: Wizardry IV: The Return of Werdna
Firma: Sir-Tech
Jahr: 1987
Genre: Rollenspiel
Thema: Schwerter & Magie
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 5322
Rezension von Mr Creosote (03.07.2021)
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Wizardry folgte dem D&D-Vermarktungsprinzip ursprünglich sehr nah. Teile 2 und 3, obwohl als eigenständige Spiele zum Vollpreis vermarktet, waren nur für Veteranen des ersten Teils spielbar, da sie statt Charaktergenerierung nur den Import erfolgreicher Heldengruppen erlaubten. Nur Besitzer des „Basissets“ wurden also vorgelassen. Nach einer mehrjährigen Pause fasste man sich bei Sir-Tech mit Teil 4 wieder ein Herz und erlaubte den Neueinstieg… könnte man denken, wenn man die roten Warnhinweise auf der Verpackung nicht ganz so ernst nimmt.

Charaktere muss man nicht importieren. Neue erstellen auch nicht. Denn The Return of Werdna (der Bösewicht des ersten Abenteuers) bietet tatsächlich recht Originelles: Man hat nicht etwa den Fiesling nochmal zu besiegen, sondern übernimmt dessen Rolle – tief in seinem Dungeon schlafend sinnt er auf Rache. Durch seine Niederlage hat er allerdings einen Gutteil seiner Kräfte eingebüßt. Gut, dass die zehn Levels, die man rückwärts hinaufzusteigen hat, mit Magietankstellen ausgestattet sind, die einen Schritt für Schritt wieder zu alter Größe bringen können.

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Helden im Visier

Werdna, seines Zeichens Magier, bleibt im Spielverlauf der einzige direkt spielbare Charakter. Zu Hilfe rufen kann er sich diverse Monster, die in Kämpfen jedoch autonom agieren. Als Feinde treten die Charakterklassen typischer Heldengruppen auf.

Diese Verdrehung der üblichen Ausgangssituation ist nicht bloß Makulatur. Man könnte denken, es wurden nur ein paar Dinge umbenannt, und schwupps hat man das Bösewichtsrollenspiel. Doch weit gefehlt. Das Rollenspielsystem ist seit dem ersten Teil unverändert und unadaptiert. Was Teil 4 besonders interessant macht, denn normalerweise steht und fällt die Spielbalance mit der Perspektivwahl – alles ist darauf ausgelegt, den Helden die Protagonistenrolle zu überlassen.

Während es was die Kämpfe angeht recht gut klappt (manchmal hart, aber im Wesentlichen durch überlegte Wahl der herbeigerufenen Helfer schaffbar), machen einem die teilweise recht fiesen Spezialfähigkeiten – von Ninjas bis zu Dieben – immer wieder einen Strich durch die Rechnung (bis das Spiel nach ein paar Leveln Erbarmen zeigt und einem zumindest ein Mittel gegen die Diebe an die Hand gibt). Geht beispielsweise ein essentielles Objekt verloren, war's das. Auch ist ein Großteil der Objekte, die besiegte Gegner verlieren, schlicht und einfach nutzlos, denn Werdna kann als Magier die meisten Waffen und Rüstungen gar nicht gebrauchen und seine Mitstreiter kann der Spieler ja nicht direkt verwalten.

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Fast alles nutzlose Beute

Die größte Abkehr vom bisherigen Spieldesign der Reihe liegt jedoch in der Charakterentwicklung selbst. Wir erinnern uns, Werdna ist eigentlich bereits ein mächtiger Magier, nur kann er seine Kraft noch nicht voll entfalten. Dass er durch Kämpfe keinerlei (!) Erfahrungspunkte gewinnt, sondern nur an den vordefinierten Punkten der Levels (markiert durch Pentagramme) „aufsteigen“ kann, löst gleich zwei der übelsten strukturellen Probleme des Rollenspielgenres allgemein und Wizardrys im Speziellen.

Erstens entfällt die Notwendigkeit des stupiden Grindings, woraus die vorigen drei Spiele immerhin zum Großteil bestanden. Vielmehr gilt es, sich schnellstmöglich durchzumogeln zu den wichtigen Stellen der Levels. Schafft man es, dabei möglichst viele Gegner zu umgehen, desto besser. Das gilt gleich doppelt, da der Geist Trebors (der Auftraggeber der Helden des ersten Teils) einem permanent an den Fersen klebt und ein Zusammentreffen zum sofortigen (!) Tod führt. Dies erfüllt, auf besonders drakonische Art, einen ähnlichen Zweck wie die Nahrungsversorgung in Rogue: den Spieler permanent vorwärts zu treiben.

Zweitens werden dem Spieler keine Entscheidungen auferlegt bezüglich der Charakterentwicklung. Was sich erstmal negativ anhören mag, jedoch das Problem uninformierter Entscheidung umgeht. In welche Fertigkeit lohnt es sich zu investieren? Dass weiß man in Rollenspielen meist erst Stunden nachdem man sich bereits festgelegt hat. Werdnas Aufstieg ist in der Reihenfolge vorbestimmt, was ansonsten vorprogrammierten Frust vermeidet.

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Verstärkung

Hört sich also doch eigentlich alles ganz gut an, oder? Ja, und diese positiven Seiten des Spieldesigns werden bei Wizardry 4 auch gerne mal unterschlagen (wenn das Spiel denn überhaupt mal Erwähnung findet). Was unfair ist, aber wiederum auch seinen Grund hat. Denn „Frust“ ist trotzdem das Stichwort der Stunde.

Der Hund liegt im Leveldesign begraben. Man hatte sich auf die Fahnen geschrieben, ein Spiel für absolute Experten zu machen. Was sich einerseits in ungewöhnlich zahlreichen Rätseln äußert. Auch dies noch so weit, so gut. Wobei einige Lösungen derart obskur sind, dass die meisten Spieler wahrscheinlich noch nicht einmal aus dem ersten Raum gekommen sind. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass es eine Geheimtür gibt und wie man sie finden könnte. Dass Werdna als Magier den schließlich notwendigen Klerikerspruch nicht sprechen kann, ist nicht das Hauptproblem; wenn man die richtige Idee erstmal hatte, ergibt sich die Lösung schon. Dass man allerdings nicht weiß, nach was man überhaupt sucht, schon. In einem späteren Level muss man dann vollends auf die Metaebene gehen und einen Hinweis auf den selbst (hoffentlich korrekt) auf Karopapier gezeichneten Karten ablesen.

Also sehr, sehr schwierig, aber immer noch einigermaßen fair. Dem Fass den Boden aus schlagen dann aber die Levels, die wirklich keinerlei Logik mehr folgen, sondern nur noch durch reines Ausprobieren zu lösen sind. Level 8 (man steigt auf, als der dritte) besteht fast ausschließlich aus unsichtbaren Explosionsfallen. Es bleibt also nur sterben, sterben und sterben, bis man bei jedem vierten Schritt dann mal ein nicht vermintes Feld findet. Schafft man es da durch, warten in Level 6 Unmengen von Drehfeldern. Der Horror eines jeden einfallslosen Dungeoncrawlers, eingesetzt in einer Frequenz die wirklich nur noch nervt. Level 4 wartet mit zahllosen Einwegeverbindungen, sich komplett drehenden Räumen sowie Räumen ohne Ausgang (auch ohne Geheimtüren!) auf. Und zum krönenden Abschluss wartet am Ende eine Art dreidimensionaler Hyperraum. Also viel Spaß mit dem zweidimensionalen Karopapier.

Auch extrinsisch gab sich Wizardry 4 sperrig. Zwar brauchte man keine Heldengruppe zum Import, aber sehr wohl das Handbuch des ersten Teils, denn sonst scheiterte man an der Freitexteingabe der Zaubersprüche, die nicht etwa in der Anleitung von Teil 4 dokumentiert war. Ebenso, wie gegen Ende ein Passwort abgefragt wurde, dass man im ersten Teil erfahren hatte. Sofern man sich sechs Jahre später noch daran erinnerte.

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Selbst 1987 mochte man seinen Augen kaum trauen angesichts solcher Optik

Moment mal, Freitexteingabe? Genau, 1987 verwendete man immer noch exakt das gleiche technische System von 1981. Während The Bard's Tale, inhaltlich praktisch eine identische Kopie Wizardrys, gezeigt hatte, was Mitte der 80er bereits grafisch und bedienungstechnisch möglich war, stolperte man hier weiterhin durch Dungeons in unausgefüllter Strichgrafik, informierte sich in sterilen Textlisten und bekämpfte eher unansehnliche Gegner. Im Hintergrund werkelte ein archaisches Speichersystem, das sich nur den Zustand des Spielers merkte, den Dungeon selbst aber immer wieder auf seinen Ausgangszustand zurücksetzte (inklusive bereits besiegter Gegner). Bereits 1984 hatte es ursprünglich herauskommen sollen, verschob sich jedoch aus unbekannten Gründen immer und immer wieder. Zeitgemäß war das nicht gerade mehr.

Besonders schade ist rückblickend jedoch, dass hier wie so oft der Fehler gemacht wurde, Schwierigkeit zumindest teilweise durch Unfairness herzustellen. Sich an ein Expertenpublikum zu wenden, ist kommerziell ein mutiges Unterfangen, denn mit der Zugänglichkeit schwindet logischerweise das Marktpotential. Nach der Lösung eines Rätsels, egal wie knackig, sollte man jedoch immer sagen können: „Na klar, da hätte ich eher drauf kommen können!“ Niemals: „Woher hätte ich das denn wissen sollen?“ Wizardry 4 verbrennt sich mit seinem Leveldesign immer wieder die Finger, weil es mit dem Feuer des letzteren spielt.

So ist es tragisch, dass alle Einzelteile der Gesamtkombination danach als verbrannt galten. Die wirklich guten, eingangs erläuterten Ansätze waren damit ebenso gestorben, wie die wirklich abgrundtief schlechten Seiten. Teil 5, tatsächlich vor diesem Spiel fertiggestellt, drehte wieder alles auf Grinding und spielergesteuerte Charakterentwicklung zurück. Mit Teil 6 gelang dann endlich der Sprung in die technische Gegenwart – spielerische Experimente wurden aber peinlichst vermieden. Teil 4, wenn er überhaupt noch zur Sprache kommt, wird heute auf seinen hohen Schwierigkeitsgrad reduziert – ohne zu unterscheiden, was auf welche Weise schwierig ist. Wirklich tragisch.

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