Mission Critical
für PC (DOS)

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Mr Creosote:
Firma: Legend Entertainment
Jahr: 1996
Genre: Adventure, Strategie
Thema: Apokalypse / Science Fiction / Krieg
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 10528
Rezension von Mr Creosote (14.06.2014)
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Gateway 2 war Legend Entertainments letztes vorwiegend textbasiertes Adventure gewesen. Danach machte die Reihe einen großen Sprung und wurde zum ersten Vertreter der dritten Generation der Legend-Spiele. Ach ja, und man nannte sich dann Mission Critical (ohne Gateway im Namen). Trotz der fehlenden Lizenz ist die Abstammung deutlich sichtbar. Der Spieler beginnt seine Reise in einem verlassenen Raumschiff, das dringender Reparaturen bedarf, inklusive der üblichen erstmal nicht zugänglichen Korridore und auf dem Weg zu einer noch unbekannten Mission in einem noch unbekannten Teil des Weltraums. Oder handelt es sich vielleicht gar nicht um einen Nachfolger, sondern vielmehr ein Remake von Gateway 2 mit neuer Grafik und neuer Bedienung?

Da es zu einer Zeit herauskam, als es zum gutem Ton gehörte, drittklassige Schauspieler kurz ihre unbekannten Gesichter in die Kamera zu halten, beginnt das Spiel mit einer länglichen Introsequenz, die immerhin erklärt, warum sich denn niemand sonst mehr an Bord befindet: Auf ausführlichst-vorstellbare Weise wird erzählt, wie das Raumschiff von einem überlegenen Schlachtkreuzer der UNO angegriffen wurde. Der Kapitän – der, sofern der Besetzungsliste Glauben geschenkt werden kann, von dem ohne seine albernes Gesichtsmaske nicht zu erkennenden Worf gespielt wird – fasst einen unglaublich lächerlichen Plan, der sich darauf zusammendampfen lässt, zum Schein zu kapitulieren, dann aber einen großen Atomsprengkörper an Bord des feindlichen Schiffes zu schmuggeln, um so in einer Selbstmordaktion zumindest auch alle Feinde mit in den Tod zu reißen. Dabei lässt er nur ein Crewmitglied an Bord, um „die Mission zu erfüllen“ – den Spieler.

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Schade nur, dass anscheinend keine Zeit mehr war, dem Spieler überhaupt mitzuteilen, worin diese Mission überhaupt besteht. Andererseits gab es mehr als genug Zeit, langwierige Videos mit detaillierten Anweisungen, wie bestimmte Schäden am Schiff zu beheben sind, aufzunehmen – wozu man ja wohl locker auch den Bordcomputer hätte befragen können. Nicht übersichtlicher wird die Sache dadurch, dass das endlose Intro einige essentielle Fragen überhaupt nicht berührt, so wie beispielsweise:

  • Ist diese UNO ein Abkömmling derjenigen, die wir heute kennen?
  • Warum greift die UNO uns an?
  • Welcher Gruppierung gehören wir an?
  • Was ist der Streitpunkt zwischen der UNO und unserer Gruppierung?
All das müsste der Protagonist (der frustrierend uncharakterisiert bleibt, wahrscheinlich um besser als Projektionsfläche für den Spieler, im Sinne des „gesichtslosen Abenteurers“, zu dienen) ja wohl längst wissen, und so wäre es nur logisch gewesen, die Informationen auch dem Spieler verfügbar zu machen, damit er seine Situation zumindest ansatzweise verstehen könnte.

Die Informationen kommen dann erst scheibchenweise: Anscheinend dreht sich der Krieg zwischen der „Allianz“ und der UNO um die Verwendung von Technologie. Die UNO hat sich wohl zu einer quasi-religiösen Organisation entwickelt, die davon überzeugt ist, dass Technologie das Ende der Menschheit herbeiführen wird. Deshalb versucht sie, jegliche wissenschaftliche Forschung zu unterbinden – und das Schiff des Spielers eskortierte eine Gruppe Wissenschaftler. Die UNO ist also sozusagen zu den Retros des Wing-Commander-Universums geworden. Was sie nicht daran hindert, uns mit einem technisch fortschrittlichen Raumschiff anzugreifen. Noch später findet man dann heraus, dass es in dieser nebulösen Mission darum ging, eine noch tödlichere Waffe, die das schwindende Kriegsglück der „Allianz“ noch wenden könnte, für sich zu sichern. Plötzlich ist die „Allianz“ auch nicht mehr sonderlich sympatisch.

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Die ersten Aufgaben des Spielers stellen sich jedoch erstmal viel konkreter dar. Der Kampf hat die Außenhülle des Schiffes beschädigt. Na ja, dann schnappen wir uns mal das Rumpf-Flickzeug (explizit als solches bezeichnet), dem klar geschriebene Instruktionen beiliegen („Bla auftragen, dann bla bla bla kleben“), und benutzen es. Ach, und der Nuklearreaktor überhitzt. Also aktivieren wir das Ersatzkühlungssystem. Und sollte und doch langweilig werden, dann können wir uns ja schließlich immer noch damit vergnügen, die Unterwäscheschubladen der weiblichen Besatzungsmitglieder zu durchstöbern. Oh, Moment, ihre Kleiderschränke enthalten leider nur „zahlreiche saubere Uniformen“.

Es spricht sicher Einiges für derlei Aufgaben. Sie sind gradlinig und ihre Lösungen weltlich und logisch. Nur sind sie eben auch nicht übermäßig interessant. Die meisten benötigten Objekte findet man genau dort, wo man sie erwarten würde und ihre Benutzung ist jeweils ebenfalls offensichtlich. Radioaktive Strahlung tritt in manchen Korridoren auf dem Weg zum Reaktor aus, und man will vielleicht nicht zu starker Strahlung ausgesetzt sein. Also schnappt man sich den Geigerzähler aus dem Lagerraum, um frühzeitig gewarnt zu werden. Man muss etwas schweißen, also holt man einen Schweißbrenner – und setzt ihn mittels des allmächtigen Verbs „benutze“ ein. Und das ist nicht etwa nur am Anfang des Spiels so, um den Einstieg zu erleichern (wir erinnern uns an den hervorragend designten, simplen Einstieg von Gateway 2); so geht es bis zum Ende weiter. Um ein Beispiel gegen Ende des Spiels zu nennen: Man muss in eine Zitadelle gelangen, die keinen sichtbaren Eingang hat. Praktischerweise steht eine riesige Kanone, bereits auf die Mauer gerichtet, direkt davor. Hm, vielleicht stellen wir sie mal an und feuern?

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Wo einem die Rätsel also keine großen Steine in den Weg legen, gelingt das dem Interface und der Grafik leider schon in seltenen, aber durchaus vorhandenen Fällen. Der kalte, sterile Renderlook ist generell den leblosen Gängen des Raumschiffes angemessen. In einer späteren Phase, auf und unter einer Planetenoberfläche, passt er leider nicht mehr so sehr. Und im letzten Abschnitt wird er dann plötzlich, aber passend, durch sehr schön handgezeichnete Bilder ersetzt (was wohl den Übertritt in eine andere Realitätsebene zeigen soll).

Nur verbringt man eben ungefähr 70% der Spielzeit an Bord des leblosen Schiffes, dem jegliche optische Details abgehen. Man läuft sehr viel hin und her zwischen den neun Decks. Das Spiel besitzt immerhin den Anstand, die Laufanimationen (oder eher, wie zu Zeiten dieser vorgerenderten Spiele üblich, Gleitanimationen) überspringbar zu machen. Es scheitert jedoch daran, dem Spieler ein Gefühl für Raum und Perspektive zu geben. Echte Bewegungsfreiheit existiert ja nicht; man dreht sich manchmal um 90°, manchmal um 180°, ohne dass sich dies in unterschiedlichen Icons niederschlägt. Ein optischer Übergang fehlt, da Drehungen nicht animiert sind. Stattdessen schiebt das neue Bild das alte einfach horizontal aus dem Blickfeld – d.h. ein plattes Bild ersetzt ein anderes, wodurch man das Ausmaß der Drehung nicht zu erfassen weiß.

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Wohin guckt man also nun? Die aufrufbare Karte hilft ein wenig, aber warum sind auf dieser die Räume nicht namentlich bezeichnet? Warum kann man nicht einfach auf der Karte auf einen Raum klicken, um direkt dorthinzuspringen (sofern der Raum zugänglich ist natürlich)? Und warum wird man der Kartenfunktion ausgerechnet dort beraubt, wo man sie am dringensten nötig hätte: Wenn der Spieler praktisch blind auf der Außenhaut des Schiffes herumstolpert, um Reparaturen durchzuführen? Wo, wie üblich, die eigentliche Reparaturarbeit mit zwei offensichtlichen Klicks erledigt ist, es jedoch zur langwierigen, äußerst lästig-komplizierten Aufgabe wird, den Weg zurück ins Schiff zu finden!

Innerhalb dieses (weitgehend) schmerzlosen, aber also recht unaufregenden Spielprinzips steht der Plot, der mit all den offenen Fragen ja nicht mal sonderlich gut eingeführt wurde, einfach still. Dem Spieler werden nur langsamst und häppchenweise diejenigen Dinge zugeführt, die ohnehin von vornherein hätten klar sein sollen. Dann folgt plötzlich genau in der Mitte des Spiels eine längliche Dialogszene sobald es dem Spieler gelingt, die Kommunikationseinrichtungen des Schiffes wieder in Gang zu bringen, die dann endlich für ein bisschen echte Bewegung sorgt. Dann folgt aber erstmal wieder sehr lange nichts, bis einem dann ganz am Ende ein weiterer schier endloser, faktisch nicht interaktiver, monolitischer Dialog aufgezwungen wird.

Womit wir zur Ausgangsfrage der Identität als Gateway-Spiel zurückgekehrt wären: Es ist die Struktur des Spiels, insbesondere die Verwendung klar definierter, erklärender Säulen gegen Ende (inklusive der herrlich seltsamen Szenen in einer virtuellen Realität), die gemeinsam mit der thematischen Ausgangssituation so sehr an Mike Verdus frühere Spiele erinnert. Nur eben ohne den fein ausgearbeiteten Plot, der die Gateway-Spiele ausmachte (sowohl extrinsisch durch die Romane, als auch intrisch im Spiel) und ohne die intelligenten Rätsel, aber dafür immerhin plus ein einziges Feature, das das Spiel vor dem völligen Mittelmaß rettet: Das ansonsten reinrassige Adventure wird zweimal durch taktische Raumschlachten unterbrochen. Sehr leichtgewichtige Taktik, aber zugänglich gemacht durch intuitive Bedienung und gute Spielbarkeit. Man kann das überspringen, wenn man die reine Lehre bevorzugt, aber damit würde man dann ehrlich gesagt den spielerisch vielleicht stärksten Teil verpassen.

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Zuguterletzt sollte man dann noch ein paar Worte über den Plot verlieren, den das Spiel nur so sparsam preisgibt. So wirkt es erstmal so, als sei es der üblich peinliche Schrott über den Kampf zwischen Kräften des Guten („Allianz“) und bösen Extremiste („UNO“). Erst in den allerletzten Sätzen kriegt das Spiel gerade noch so die Kurve, indem es beiden Enden (mal abgesehen vom frühzeitigen Sterben) zutiefst ironische Wendungen verpassen. Die letzte große Entscheidung des Spielers besteht im Prinzip darin, sich auf die Seite einer der beiden Ideologien zu schlagen, wobei dann allerdings jede Wahl zur (vorsichtigen) Bestätigung des jeweils anderen Standpunktes führt – über Kreuz. Nicht, dass die Thesen dadurch im Sinne der Philosophieethik besonders befriedigend würden, da die effektiv wenigen Entscheidungsmöglichkeiten des Spielers maximal an der Oberfläche der zugrundeliegenden existentiellen Fragen kratzen und ohnehin die Kausalität zwischen jenen Entscheidungen und dem finalen Ausgang sehr dünn ist. Darüber hinaus geht der Plot über diverse entscheidende Fragen einfach per Handstreich weg – beispielsweise die Frage, warum der Protagonist seinen Gegenübern in der letzten Dialogszene blind vertraut, warum er niemals auf den Gedanken kommt, er könne mit Falschinformationen manipuliert werden (eine leise, beruhigende Stimme zu haben, ist wohl Beweis genug…). Man muss ihm immerhin zugestehen, dass das Spiel versucht, eine Aussage über eine Grundfrage menschlichen Daseins zu machen, aber der Erfolg dieses Versuchs hält sich in engen Grenzen. Der Großteil des pseudophilosophischen Geredes ist nur eine Nebelkerze nach der anderen: hochgestochene Worte, aber wenig echte Bedeutung. Oder vielleicht hochgehängte Ziele, die man nicht ganz erreichen konnte?

Was überhaupt auf vieles in Mission Critical zutrifft. Eine partikuläre Beobachtung fasst es eigentlich ganz treffend zusammen: In der zweiten (und letzten) Zwischensequenz, in der der Kapitän auftaucht, befindet dieser sich auf der Kommandobrücke. Allein. Man sieht eine Reihe Sitzgelegenheiten vor Computern, die geradezu nach Bedienung schreien. Er spricht sogar andere Personen, die sich wohl ebenfalls im Raum befinden sollen, an, aber man sieht die Adressaten nicht. Was sagt uns das? Wenn man denn eine Großproduktion machen will, dann braucht man offensichtlich neben den „Stars“ auf mindestens ein paar Statisten. Hier steht der Kapitän in seiner steifen Pose mitten in einer computergenerierten Szenerie und fühlt sich dabei sichtbar unwohl. Wie viel Aufwand wäre es wohl gewesen, zwei beliebige Firmenmitarbeiter ebenfalls in Fantasieuniformen zu stecken und sie irgendwo ins Bild zu setzen (wenn nötig sogar mit den Rücken zur Kamera)? Warum hat daran niemand gedacht? Mission Critical hat die Fundamente einer großen Produktion, aber an zentralen Stellen zieht es diese Pläne nicht konsequent genug durch – während es gleichzeitig einige Qualitäten, die die Vorgänger so gut gemacht hatten, fallen lässt. Klar, es ist nicht absolut schief gegangen, aber wirklich geklappt hat es auch nicht.

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