Appointment with F.E.A.R.
für Spielbuch

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Mr Creosote:
Firma: Puffin Books
Jahr: 1985
Genre: Rollenspiel
Thema: Cartoon & Comic / Sonstige Fantasy / Kämpfen / Humor / Polizei & Verbrecher / Textbasiert
Sprache: English
Lizenz: Kommerziell
Aufrufe: 337
Rezension von Mr Creosote (30.03.2024)
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Heutzutage sind Superhelden Bestandteil unser aller Popkulturellen Lebens. Comics befinden sich allerdings weiterhin in einer nerdigen Nische. 1985 war diese Nische die gesamte Existenz dieses Genres. Ihr kurzlebiger Hype durch „coolere“ Publikationen war bereits in der Mache, aber noch nicht im breiten gesellschaftlichen Bewusstsein angekommen. Die Superman-Filme waren mit dem schrecklichen vierten Teil zu Grabe getragen worden. Und in jenem Medium war Tim Burtons Batman noch weit entfernt. Spielbücher waren jedoch, trotz ihrer hervorragenden Verkaufszahlen zu der Zeit, ebenfalls ein Nerdphänomen. Experimentieronkel Steve Jackson war genau der Richtige, dies zu verheiraten.

Wobei Superheldencomics natürlich ein zutiefst nordamerikanisches Genre sind, Jackson dagegen Brite. Jedoch muss man bedenken, dass zur gleichen Zeit es Alan Moore, Neil Gaiman, Dave Gibbons, Jamie Delano und Brian Bolland waren, die den monatlichen Heften frischen Wind verliehen. Jackson, mit vollem Riecher für's Geschäft, engagierte Bolland, das Cover zu Appointment with F.E.A.R. zu gestalten. Nicht Bollands beste Arbeit, aber immerhin – ein Bolland-Cover! Sofort verspürt man Lust, dieses Buch aufzuschlagen.

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Jackson vertraut seinem Spieler einen ziemlich generischen Superhelden namens „Silver Crusader“ an. Ein Sammelsurium aus verschiedenen bekannten Superhelden anderer Verlage und der Spieler darf die primäre Superkraft sogar noch selbst wählen. Möchte man wie Superman durch die Luft fliegen und super stark sein? Oder lieber wie Batman auf seine Superausrüstung vertrauen? Kann man Energieblitze aus den Fingern schießen? Oder aber verlässt man sich Jacksons Lieblingsfähigkeit, Psi? Je nach dem wird das Abenteuer sehr anders ausfallen.

Die Aufgabe besteht so oder so auf jeden Fall darin, eine Schurkenorganisation namens F.E.A.R. auszuheben. Deren Anführer hat einen verdächtig russisch klingenden Namen und ihr Ziel ist nicht weniger als die Weltherrschaft. Der Crusader muss Ort und Zeit des geheimen F.E.A.R.-Treffen herausfinden und alle hopps nehmen. Bis dahin ist nicht mehr viel Zeit und Hinweise gibt es erstmal nur wenige.

In Titan City ist immerhin eine Menge los. Theoretisch sollte der Protagonist sich auch mal an seiner Arbeitsstelle sehen lassen, doch dafür ist kaum jemals Zeit. Ebensowenig für Besuche bei der Tante. Wo man auch immer hingeht, sieht man Verbrechen. Ein Bankraub. Ein Taschenräuber in der U-Bahn. Ein Entführer. Ein Hund erleichtert sich auf dem Bürgersteig. Derlei Vergehen zu unterbinden und die Bösewichte dem Gesetz zuzuführen, wird mit Heldenpunkten belohnt. Doch gewinnt man nur, wenn man die für das F.E.A.R-Treffen relevanten Hinweise in bestimmten Szenen aufdeckt.

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Jene finden sich jedoch je nach Wahl des Helden an unterschiedlichen Orten. Wie bereits im Sumpf der Skorpione werden also Szenen, die beim ersten Versuch vielleicht nur Kulisse waren, später vielleicht bedeutsam. Jackson bedient sich wiederholt der bereits aus dem Höllenhaus bekannten Spielmechanik: Die Optionen in manchen Szenen werden nicht explizit verraten, indem er etwa fragt, ob man bestimmte Objekte oder Information hat, sondern diese spielentscheidenden Informationen werden von Instruktionen begleitet wie beispielsweise, eine Zahl zum aktuellen Abschnitt zu addieren, abzuziehen oder zu multiplizieren, wenn man sie verwenden möchte. Dann liegt es beim Spieler, den richtigen Zeitpunkt zu erkennen. Bis auf ein paar Stellen, an denen Jackson dann doch den Mut verliert, und Wendungen einbaut wie „Jetzt musst du zu xyz zurückkehren wenn du nicht einen anderen Einfall hast.

Die Spielwelt präsentiert sich somit im ständigen Fluss. Die hohe Schlagfrequenz immer neuer Ereignisse, teilweise parallel, ist bemerkenswert. In dem Buch steckt genug Material für fünf! Das meiste bezieht sich auf damalige Popkultur oder weitgehend bekannte Geschichte. So kann man das Musical Rats besuchen, einem Konzert von Georgie Boy and the Vulture Club beiwohnen, den Hexenmeister vom Flammenden Berg im Buchgeschäft erstehen… das Kennedy-Attentat verhindern, sich als Grabräuber betätigen usw. Nachteil dieser Schrotflintenmethode ist, dass kein roter Faden entsteht, sich keine verbindenden Themen herausbilden. Der passend kitschige, selbstreferentielle Schreibstil sowie die atemlose Action machen's wett.

Die schließlichen Lösungen sind zugegeben ziemlich zufällig. Das Buch verweigert sich einer logisch-strukturierten Herangehensweise. Und doch ist das Absuchen all der kleinen Vignetten hervorragende Unterhaltung. Zumindest wenn man eine Ader für Comedy hat. Von so todernsten Stoffen wie dem Labyrinth des Todes sind wir hier meilenweit entfernt. Nicht nur thematisch und vom Tonfall her. Jackson macht auch wieder mal klar, wie gelangweilt er vom Kämpfen in Fighting Fantasy ist. Es kommen kaum welche vor. In diesem Buch geht es ums Treffen von Entscheidungen, Schlag auf Schlag, und das Sammeln von Hinweisen, um dann unerwartete, nicht gesondert aufgeführte Abzweigungen an Schlüsselstellen zu nehmen. Schade, dass es keinen Nachfolger in Langform gab.

Kommentare (1) [Kommentar schreiben]

Mr Creosote:
Für Appointment with F.E.A.R. habe ich viel länger gebraucht als gedacht. Das Buch hat nicht nur mehr Abschnitte als die üblichen Spielbücher, sondern auch noch vier verschiedene Pfade, sowie eine Mechanik, die Teile der Lösung unmöglich auszuprobieren macht, erklären es im Rückblick. Die Überraschung bestand darin, dass es mich die ganze Zeit bestens unterhalten hat!
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